Flammendes Eis
Ehre, mich in der Gesellschaft von zwei so berühmten Wissenschaftlern zu befinden. Ich beneide Sie um Ihren Job bei der NUMA. Mein Vater hat mir viel von seinen Erlebnissen in den Vereinigten Staaten erzählt.«
Die Trouts lächelten, obwohl der junge Mann ihren Plan durchkreuzt hatte, sich zu einer Erkundungsfahrt davonzuschleichen. Er sprudelte über vor jugendlicher Begeisterung, und seine großen blauen Augen funkelten aufgeregt hinter den dicken Brillengläsern.
»Ihr Vater hat oft von seiner Familie daheim in Russland gesprochen«, sagte Paul. »Ich weiß noch, wie er mir Fotos von Ihnen und Ihrer Mutter gezeigt hat. Sie waren damals deutlich jünger; deshalb habe ich Sie vorhin nicht erkannt.«
»Manche Leute sagen, ich würde eher meiner Mutter ähnlich sehen.«
Trout nickte zustimmend. Während Professor Orlows Aufenthalt in Woods Hole hatte der Russe Anfälle von Heimweh dadurch bekämpft, dass er Familienfotos aus der Brieftasche zog und stolz herumzeigte. Trout erinnerte sich daran, wie seltsam der massige Professor und seine große, gertenschlanke Frau Svetlana nebeneinander ausgesehen hatten.
»Es hat mir viel Spaß gemacht, mit Ihrem Vater zusammenzuarbeiten. Er ist ein brillanter Kopf und zudem eine liebenswerte Persönlichkeit. Ich hoffe, es wird sich uns irgendwann noch einmal die Gelegenheit dazu bieten.«
Juri strahlte wie eine Glühbirne. »Der Professor hat versprochen, mich auf seine nächste Reise in die Vereinigten Staaten mitzunehmen.«
Trout lächelte, weil Juri statt des Namens lieber den akademischen Titel seines Vaters benutzte. »Sie kommen bestimmt problemlos zurecht. Ihr Englisch ist hervorragend.«
»Danke. Meine Eltern haben früher immer amerikanische Austauschstudenten bei uns aufgenommen.« Er wies auf die Küste. »Es ist hier sehr schön. Sind Sie Vogelbeobachter?« Die Trouts wollten eigentlich in die entgegengesetzte Richtung.
Gamay unternahm einen vorsichtigen Versuch, die Mission zu retten. »Wissen Sie, Juri«, sagte sie und ließ ihren ganzen Charme spielen, »wir möchten gern mal nach Noworossijsk.«
Der junge Mann sah sie halb amüsiert, halb erstaunt an.
»
Noworossijsk
? Sind Sie sicher? Dieser andere Küstenstrich ist viel hübscher.«
Paul ergriff die Gelegenheit, die Gamay eröffnet hatte.
»Zuhause in Virginia beobachten wir häufig Vögel, aber als Meeresgeologe interessiere ich mich mehr für den Abbau von unterseeischen Bodenschätzen. Soweit ich weiß, ist einer der weltweit größten Konzerne dieser Branche in Noworossijsk beheimatet.«
»Na klar, Sie meinen Ataman Industries. Die sind
riesig
. Ich will meine Abschlussarbeit über ökologischen Bergbau schreiben. Vielleicht bewerbe ich mich bei denen später mal um eine Anstellung.«
»Dann verstehen Sie bestimmt, warum ich gern einen Blick auf das Firmengelände werfen möchte.«
»Aber sicher. Nur schade, dass ich das nicht vorher gewusst habe, sonst hätte man eine Führung vereinbaren können. Vom Wasser aus erhält man bloß einen ungefähren Eindruck von der Größe dieses Betriebs.« Juri grinste erleichtert. »Ich mag Vögel auch gern, aber nicht ganz so sehr.«
»Ich bin Meeresbiologin«, sagte Gamay. »Mein Metier sind eher Fische und Pflanzen, aber einen Ausflug nach Noworossijsk stelle ich mir trotzdem recht spannend vor.«
»Dann wäre ja alles klar«, sagte Paul.
Juri gab Gas und beschrieb mit dem Boot einen großen langsamen Bogen. Dann blieb er in etwa vierhundert Metern Entfernung auf einem Parallelkurs zur Küste. Nach einer Weile ließ dort der Baumbewuchs immer mehr nach und wich kargen, aber hohen grasbewachsenen Hügeln. Unmittelbar am Ufer gab es keinen Strand mehr, sondern große, schilfbewachsene Sümpfe und schmale, gewundene Flussläufe.
Paul und Gamay saßen nebeneinander auf der mittleren Sitzbank, während das Boot die in der Sonne glitzernde See durchpflügte. Der Rumpf war zirka fünfeinhalb Meter lang und stabil wie ein Panzer, mit sich überlappenden Planken und einem dicken Bug. Juri redete in einem fort und deutete auf immer neue Stellen im Gelände. Die Trouts nickten beifällig, wenngleich das Dröhnen des Motors und das Rauschen der Fahrt den Großteil der Erzählung übertönten.
Sämtliche Befürchtungen hinsichtlich des jungen Mannes lösten sich schnell in Wohlgefallen auf, denn Juri stellte sich als ein wahrer Glücksfall heraus. Er wusste, mit welchem Treibstoffgemisch man den wählerischen Motor füttern musste, und kannte die Gegend wie
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