Flammendes Eis
seine Westentasche. Allein hätten die Trouts es kaum geschafft, sich in dem geschäftigen Hafen zurechtzufinden, und das Gelände von Ataman wäre ihnen ohne Führer vermutlich völlig verborgen geblieben. Je weiter sie in die Zemes-Bucht vordrangen, desto deutlicher wurde die enorme Bedeutung der Stadt als wichtiger russischer Handelshafen. In beiden Richtungen herrschte ständiger Schiffsverkehr. Dabei waren alle Arten der kommerziellen Seefahrt vertreten: Frachter, Tanker, Hochseeschlepper, Passagierschiffe und Fähren.
Juri hielt zu den großen Kähnen und ihren mächtigen Kielwassern einen respektvollen Abstand ein. Die Uferbebauung nahm immer mehr zu. Durch den Industriedunst der Hafenregion konnte man Hochhäuser, rauchende Schlote und Getreidesilos erkennen. Juri verlangsamte das Tempo auf Schrittgeschwindigkeit.
»Die Stadt ist geschichtlich überaus bedeutsam«, erklärte er.
»Alle drei Meter stößt man auf irgendein Denkmal. Als 1920
Schiffe der Alliierten die Weiße Armee evakuierten, endete hier die Russische Revolution. Außerdem ist dies einer der größten Häfen Russlands. Hier enden die Pipelines der Ölquellen im nördlichen Kaukasus. Das da drüben ist der Ölhafen Schescharis.«
Paul hatte die dunkle Färbung des Wassers bemerkt. »Nach der Größe dieser Schiffe zu urteilen, muss hier eine beträchtliche Tiefe herrschen.«
»Noworossijsk friert im Winter nicht zu. Es ist der wichtigste Hafen für den Frachtverkehr zwischen Russland und der Mittelmeerregion sowie dem Rest Europas, und auch Asien, der Persische Golf und Afrika spielen hier wirtschaftlich eine beachtliche Rolle. Die Hafenanlagen entsprechen dem neuesten Stand. Genau genommen besteht der Hafen aus fünf Teilen: dem Passagierterminal, dem Ölhafen und drei Bereichen für die restlichen Güter. Den Flughafen kennen Sie ja bereits aus eigener Anschauung, also wissen Sie, dass von dort aus Verbindungen in alle Welt bestehen.«
»Mir ist klar, wieso Ataman ausgerechnet hier sein Hauptquartier aufgeschlagen hat«, merkte Gamay an, während ihr Blick über das hektische Treiben schweifte.
»Warten Sie’s nur ab.«
Juri gab mehr Gas und hielt auf eine breite Bucht zu. Dort ragten sechs lange Betonpiers ins Wasser, an denen mehrere Schiffe festgemacht hatten. Dahinter erstreckte sich ein ausgedehnter Industriekomplex; man sah große Hallen, Portalkräne, gewaltige Lastschlitten und Frachtausleger. Auf den Piers fuhren Gabelstapler und Zugmaschinen wie übergroße Insekten umher.
»Was davon gehört zu Ataman?«, fragte Gamay.
Juri grinste und vollführte eine weit ausholende Geste.
»Alles.«
Gamay stieß einen leisen Pfiff aus. »Diese Ausmaße sind kaum zu fassen. Manch großer Handelshafen ist kleiner.«
»Ataman verfügt über eine eigene Schlepperflotte, Treibstoff-und Wasservorräte sowie Tanks zur Abwasser- und Müllentsorgung«, sagte Juri. »Sehen Sie diese riesigen Kräne da drüben? Das ist Atamans Werft. Die bauen hier all ihre Schiffe selbst. Auf diese Weise haben sie Konstruktion und Kosten stets unter Kontrolle.« Er runzelte die Stirn und schaute sich suchend um. »Komisch. Atamans Hafen ist praktisch leer.«
Paul und seine Frau sahen sich verwirrt an. »So kommt es mir aber gar nicht vor. Sehen Sie doch nur, was hier los ist. Ich kann von hier aus fünf recht große Schiffe an den Piers ausmachen.«
»Das sind Atamans
kleine
Schiffe. Ich wollte Ihnen die Hochsee-Bohrinseln zeigen. Die sehen aus, als könnten sie sich bis zur anderen Seite der Erde durchbohren. Jede davon ist eine eigene Stadt.«
»Vielleicht sind sie alle im Einsatz.«
»Vielleicht«, sagte er, klang dabei jedoch skeptisch. »Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Ataman hat so viele Schiffe, dass ein paar davon immer gerade neu ausgerüstet werden. Trotz all der Piers gibt es hier nicht genug Platz, um die ganze Flotte auf einmal unterzubringen.« Er blickte das Ufer entlang, bis er entdeckte, wonach er suchte. »Ich kann Ihnen etwas zeigen, das fast genauso interessant ist.«
Juri fuhr geradeaus weiter, bis sie die Piers hinter sich gelassen hatten, und bog dann zu einem kleineren Kai ab. Dort war eine luxuriöse, hundertzwanzig Meter lange Jacht vertäut.
Den leuchtend weißen Rumpf hatte man mit schwarzen Zierleisten abgesetzt. Die Aufbauten waren ungewöhnlich schnittig und stromlinienförmig. Der tiefe, V- förmige Querschnitt garantierte einen geringen Wasserwiderstand, und das breite Heck war nach innen gewölbt.
»Wow!«,
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