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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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in den nächsten Korridor aus Fleisch.

127
    DER POLIZIST IST UNBEWAFFNET und hat Angst, denkt der Mann und streicht sich mit seiner Prothese die Haare aus dem Gesicht.
    Er bleibt stehen, hält die Waffe schussbereit und versucht, zwischen den Tierleibern etwas zu erkennen.
    Er muss Angst haben, wiederholt er innerlich.
    Im Moment versteckt er sich, aber der Mann weiß, dass der Polizist bald versuchen wird, durch das Tor auf die Straße zu fliehen.
    Sein eigener Atem geht schnell. Die Luft in seiner Lunge ist trocken und kalt. Er hüstelt schwach, dreht sich um, schaut kurz auf die Pistole und blickt wieder auf. Er muss blinzeln. Möglicherweise hat er etwas an der Wand gesehen – hinter dem Kühlkörper. Er läuft an den Schweineleibern entlang.
    Es muss möglich sein, die Sache schnell zu erledigen. Er braucht den Polizisten nur zu stellen und aus nächster Nähe zu erschießen. Erst in den Bauch und dann in die Schläfe.
    Er bleibt stehen und sieht, dass der Spalt an der Betonwand leer ist, bloß ein paar Stofffetzen auf dem Boden und ein weißer Eimer. Er macht auf dem Absatz kehrt und geht zurück, bleibt dann aber wieder stehen und lauscht, hört jedoch nur seine eigenen Atemzüge.
    Er stößt mit der linken Hand ein Schwein an, aber es ist schwerer als erwartet. Er muss kraftvoll drücken, um es zum Schaukeln zu bringen. Der Schmerz im Arm kehrt zurück, als der Stumpf gegen die Prothese gedrückt wird.
    Die Halterung des Hakens rasselt.
    Das Schwein schwingt nach rechts, und er hat freien Blick auf den nächsten Gang.
    Er kann nirgendwo hin, denkt der Mann. Er steckt hier fest wie in einem Käfig. Er muss nur die Tore in der Schusslinie halten, falls der Polizist einen Fluchtversuch unternehmen will, und gleichzeitig die Türöffnung mit den Plastiklamellen im Auge behalten, um einen Rückzug in dieser Richtung zu verhindern.
    Sein Arm ist müde, und er senkt kurz die Pistole. Er weiß, dass er Gefahr läuft, wichtige Sekunden zu verlieren, aber wenn sein Arm zu sehr ermüdet, wird die Waffe zittern.
    Langsam schleicht er sich vorwärts, glaubt, einen Rücken zu sehen, hebt schnell die Waffe und drückt ab. Er spürt den Rückstoß, Spritzer des Zündsatzes brennen auf den Knöcheln. Das Adrenalin im Blut lässt sein Gesicht ganz kalt werden.
    Er bewegt sich seitwärts, und sein Herz schlägt schneller, als er erkennt, dass er sich getäuscht hat, dass es nur ein Schwein war, das ein bisschen schräg hing.
    Die Sache geht schief, denkt er. Er muss diesen Polizisten stoppen, er kann ihn nicht entkommen lassen, jetzt nicht mehr.
    Aber wo steckt er? Wo zum Teufel steckt er?
    Es knackt unter der Decke, und er blickt zu Stahlbalken und Laufkränen hinauf. Nichts zu sehen. Er weicht zurück und stolpert, taumelt, stützt sich mit der Schulter auf einen Schweineleib und spürt durch sein Hemd die Feuchtigkeit des kalten Fleisches. Die Schwarte glitzert von den kleinen Tropfen Kondenswasser auf ihr. Ihm ist schlecht. Irgendetwas stimmt hier nicht. Allmählich macht sich der Stress bemerkbar, er kann hier nicht mehr lange bleiben. Der Mann geht weiter rückwärts, sieht einen flüchtigen Schatten an der Wand und hebt die Waffe.
    Plötzlich erzittern alle Schweine im Kühlraum. Sie beben und werden unscharf. Unter der Decke surrt es elektrisch, der Kettenförderer rasselt, und die schweren Schlachtleiber setzen sich unterder Rohrbahn seitwärts in Bewegung und lassen einen eiskalten Windhauch heranwehen.
    Der Mann mit der Pistole dreht sich um, späht und versucht, alle Richtungen gleichzeitig im Auge zu behalten und denkt, dass dies die Sache eigentlich nicht wert ist.
    Eigentlich hätte es ein Kinderspiel sein sollen, einen schwedischen Jungen zu kaufen, den die Polizei für tot erklärt hat. In Deutschland und Holland würde er für ihn einen sehr guten Preis aushandeln können.
    Doch jetzt ist die Sache es nicht mehr wert.
    Die Schweine stoppen jäh und schaukeln träge. An der Wand leuchtet eine rote Lampe. Der Polizist hat die Notbremse betätigt.
    Es ist wieder still geworden, und in ihm regt sich immer stärker ein ungutes Gefühl.
    Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?, fragt sich der Mann.
    Er versucht, ruhiger zu atmen, nähert sich langsam dem roten Licht, geht in die Hocke, um etwas zwischen den Leibern zu sehen, und macht zwei Schritte nach vorn.
    Die Tore zur Straße sind noch geschlossen.
    Er dreht sich um und will den anderen Ausgang bewachen, als der großgewachsene Polizist plötzlich direkt

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