Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Fließband.
Aus dem zerfetzten Beinstumpf auf dem Boden spritzt Blut, und Micke feuert seine Knarre ab. Sechs Kugeln schlagen in Rogers Brustkorb und Schulter. Micke fällt schreiend. Die restlichen Schüsse verschwinden pfeifend Richtung Decke und sausen als Querschläger zwischen Rohren und Kettenbändern hin und her.
Bis das Magazin leer ist, knattert es metallisch, danach hört man nur noch Mickes gebrochene Schreie.
Der kleine Mann mit der Prothese kommt angerannt und sieht, wie Roger auf die Knie fällt und der Pferdeschwanz über seine Wange rutscht. Er stützt sich mit ausgestreckten Armen auf die Hände, und von seinem Brustkorb tropft Blut auf die Bodenrillen, die es zu der Rinne für Schweineblut führen.
Joona geht hinter einigen Maschinen in Deckung, mit denen man Schweineleiber aufbläst, um die Zerlegung zu erleichtern. Er hört, dass ihm der Mann mit der Glock folgt, einen scheppernden Wagen wegtritt und gestresst durch enge Nasengänge atmet.
Joona weicht zurück, öffnet die Schrotflinte und sieht, dass sie nur mit einer Patrone geladen war.
Der junge Mann ruft um Hilfe, ächzt und schreit.
Nur zehn Schritte entfernt sieht Joona die Türöffnung zu einem Kühlraum. Hinter den gelblich verfärbten Plastiklamellen erkennt man schemenhaft ausgenommene Schweine, die in dichten Reihen an Fleischerhaken hängen.
Er denkt, dass es am anderen Ende des Kühlraums eigentlich ein Tor zu der Straße mit der Laderampe geben müsste.
124
AN DER KOPFSEITE des braunroten Gebäudes befindet sich eine schwarze Metalltür, die von einer zusammengerollten Zeitung offen gehalten wird.
Ein weißes Blechschild verkündet: Larssons Fleischerei.
Vicky geht zu ihr, stolpert auf dem Abtrittgitter und öffnet die Tür. Als sie eintritt, tropft von ihrer verletzten Hand Blut auf die Zeitung.
Sie muss Dante finden. Mehr will sie nicht.
Sie schleicht nicht, geht einfach in einen Umkleideraum mit Holzbänken vor roten, verbeulten Blechschränken. An der Wand klebt ein Poster mit einem lächelnden Zlatan Ibrahimovic. In der Fensternische stehen einige Plastikhalter für Kaffeetassen auf einer Broschüre der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten.
Durch die Wände dringt ein Schrei zu ihr. Ein Mann ruft um Hilfe.
Vicky schaut sich in der Umkleide um. Öffnet einen Schrank, reißt ein paar staubige Plastiktüten heraus, öffnet den nächsten, geht weiter, schaut in den Papierkorb, sieht, dass zwischen alten Tabakportionsbeuteln und Bonbonpapieren eine leere Limonadenflasche liegt.
Der Mann schreit wieder, diesmal jedoch schwächer.
»Verdammt«, flüstert Vicky, greift nach der Glasflasche, packt sie fest mit der rechten Hand, verlässt den Raum durch die zweite Tür und gelangt in einen kühlen Lagerraum mit Paletten und Packmaschinen.
Sie läuft möglichst leise auf ein großes Garagentor zu. Als sie an Paletten mit eingeschweißten Kartons vorbeikommt, erahnt sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung und bleibt stehen.
Ihre Augen flackern suchend umher und sehen einen Schatten, der sich hinter einem orangen Gabelstapler bewegt. Sie atmet lautlos und schleicht sich an, stützt sich mit der Hand auf den Gabelstapler, geht um ihn herum und sieht einen Mann, der über ein Bündel auf einer Decke gebeugt steht.
»Mir ist schlecht«, sagt eine helle Kinderstimme.
»Kannst du aufstehen, Kleiner?«, fragt der Mann.
Sie macht einen Schritt auf die beiden zu. Der Mann dreht sich um, und Vicky sieht, dass es Tobias ist.
»Vicky? Was machst du denn hier?«, fragt er mit einem erstaunten Lächeln.
Sie nähert sich vorsichtig.
»Dante?«, fragt sie behutsam.
Der Junge sieht sie an, als könnte er in dem dunklen Raum ihr Gesicht nicht richtig sehen.
»Vicky, bring ihn zum Lieferwagen«, sagt Tobias. »Ich komme gleich nach …«
»Aber ich bin …«
»Tu einfach, was ich dir sage, dann wird alles gut«, unterbricht er sie.
»Okay«, antwortet sie tonlos.
»Jetzt beeil dich – schaff den Jungen in den Wagen.«
Das Gesicht des Jungen ist grau, er legt sich wieder auf die Decke. Seine Lider sind schwer, sie fallen zu.
»Du wirst ihn tragen müssen«, sagt Tobias seufzend.
»Ja«, erwidert Vicky, geht zu ihm und schlägt ihm die Glasflasche mit aller Kraft auf den Kopf.
Im ersten Moment sieht er nur überrascht aus, aber dann taumelt er und sinkt auf ein Knie. Verblüfft tastet er seinen Kopf ab, sieht Glassplitter und Blut in seinen Händen.
»Was zum Teufel machst du denn …«
Sie stößt mit den spitzen
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