Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Grünewald und ich dir zu sagen haben.«
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DAS STOCKHOLMER AMTSGERICHT benutzt für Haftprüfungsverhandlungen einen Raum im Erdgeschoss des Polizeipräsidiums. Es ist ein schlichtes Besprechungszimmer mit Stühlen und Tischen aus lackiertem Kiefernholz. Etwa zwanzig Journalisten haben sich bereits im Foyer des Landespolizeiamts versammelt, und in der Polhemsgatan davor stehen Übertragungsbusse des Fernsehens.
Die kräftigen Regenfälle der Nacht haben auf den dreifach verglasten Fenstern Striemen hinterlassen, nasse Blätter kleben auf weißem Fensterblech.
Staatsanwältin Susanne Öst trägt ihr neues Kostüm von Marella und flache, schwarze Pumps. Sie wirkt angespannt. Ein kräftig gebauter, uniformierter Polizist steht neben der Tür an der Wand. Hinter dem Schreibtisch des Vorsitzenden sitzt der Richter, ein älterer Mann mit großen, buschigen Augenbrauen.
Vicky sitzt vorgebeugt, als hätte sie Bauchschmerzen, auf einem Stuhl zwischen Elin Frank und ihrem Anwalt Johannes Grünewald. Sie sieht klein und mitgenommen aus.
»Wo ist Joona?«, flüstert sie.
»Es war nicht sicher, ob er kommen können würde«, antwortet Johannes Grünewald ruhig.
Die Staatsanwältin wendet sich ausschließlich an den Richter, als sie mit ernster Miene erklärt:
»Ich beantrage, Vicky Bennet in Untersuchungshaft zu nehmen wegen des dringenden Tatverdachts in den Mordfällen ElisabethGrim und Miranda Ericsdotter sowie wegen des dringenden Tatverdachts … in einem Fall von Menschenraub, der Entführung von Dante Abrahamsson.«
Der Richter notiert sich etwas, und die Staatsanwältin legt einen spiralgehefteten Stapel Blätter vor und beginnt anschließend, die Ermittlungsergebnisse vorzutragen.
»Alle Indizien sprechen für Vicky Bennet als Täterin, für sie und niemanden sonst.«
Susanne Öst macht eine kurze Pause und geht danach die Berichte von der Tatortuntersuchung durch. Mit mühsam gebremstem Eifer berichtet sie langsam von den biologischen Spuren und Fuß- und Fingerabdrücken:
»Die Stiefel, die in Vicky Bennets Schrank gefunden wurden, passen zu den Fußspuren, die an den beiden Mordschauplätzen gesichert wurden, Blut von beiden Opfern ist im Zimmer der Verdächtigen und an ihren Kleidern gefunden worden, Vicky Bennets blutiger Handabdruck wurde am Fensterrahmen gefunden.«
»Warum müssen sie das alles sagen?«, flüstert Vicky.
»Ich weiß es nicht«, antwortet Elin.
»Wir kommen nun zu den Anhängen im Gutachten der Sachverständigen des Kriminaltechnischen Labors«, sagt Susanne Öst an den Richter gewandt. »Auf Bild 9 sieht man die Mordwaffe … Vicky Bennets Fingerabdrücke wurden auf dem Griff gesichert, siehe Bild 113 und 114. Die Vergleichsanalysen zeigen, dass Vicky Bennet die Mordwaffe mit großer Sicherheit benutzt hat.«
Die Staatsanwältin räuspert sich und wartet, bis der Richter sich das Beweismaterial angesehen hat. Dann fährt sie fort, indem sie die Schlussfolgerungen aus der gerichtsmedizinischen Obduktion wiedergibt:
»Miranda Ericsdotter starb infolge von Gewalt mit einem stumpfen Gegenstand, das steht außer Zweifel … Impressionsfrakturen am Schläfenbein und …«
»Frau Öst«, unterbricht der Richter sie freundlich. »Wir sitzenhier in einer Haftprüfungsverhandlung, das ist nicht die Hauptverhandlung.«
»Das weiß ich«, sagt die Staatsanwältin kopfnickend, »aber angesichts des geringen Alters der Verdächtigen halte ich eine etwas umfangreichere Darlegung für berechtigt.«
»Solange diese im Rahmen des Vertretbaren bleibt«, sagt der Richter.
»Danke«, erwidert Susanne Öst lächelnd und fährt anschließend fort, die Verletzungen bei beiden Opfern zu beschreiben und wie sie den Totenflecken zufolge gelegen haben. Außerdem geht sie auf Elisabeth Grims schwere Abwehrverletzungen ein.
»Wo ist Joona?«, fragt Vicky wieder.
Johannes Grünewald legt beruhigend eine Hand auf ihren Arm und flüstert ihr zu, dass er versuchen wird, ihn anzurufen, falls Joona vor der Verhandlungspause nicht auftauchen sollte.
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ALS SIE IN DEN GERICHTSSAAL ZURÜCKKEHREN , um die Verhandlung nach der Pause wiederaufzunehmen, ist Joona immer noch nicht aufgetaucht. Als Johannes Grünewald Vickys fragendes Gesicht sieht, schüttelt er den Kopf. Sie ist sehr blass und sitzt stumm und zusammengekauert da. Die Staatsanwältin stützt sich auf die Rekonstruktion der Ereignisse durch die Polizei des Westlichen Norrlands, um wiederzugeben, wie Vicky Bennet Elisabeth Grim bis in die
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