Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Elin wischt ihre Tränen fort, und Daniel setzt sichwieder auf seinen Platz, legt die Serviette in den Schoß und probiert mit zitternder Hand den Wein.
»Gut«, sagt er etwas zu schnell.
Während der Kellner einschenkt, schweigen sie, bedanken sich nur leise und sehen sich erst wieder vorsichtig an, als er sich entfernt hat.
»Ich will wieder für Vicky da sein«, sagt Elin ernst.
»Du hast dich dazu entschieden?«, fragt er.
»Glaubst du, ich schaffe das nicht?«, entgegnet sie lächelnd.
»Elin, darum geht es doch gar nicht«, sagt er, »aber Vicky ist selbstmordgefährdet … Ihr Zustand hat sich gebessert, aber sie weist nach wie vor ein wirklich gravierendes selbstverletzendes Verhalten auf.«
»Ritzt sie sich? Tut sie das?«
»Ihr Zustand hat sich gebessert, aber sie ritzt sich und nimmt Tabletten … und meiner Einschätzung nach braucht sie jemanden, der sie rund um die Uhr betreut.«
»Dann würdest du mich also als Pflegemutter für sie nicht empfehlen?«
»Sie braucht professionelle Hilfe«, verdeutlicht Daniel behutsam. »Meiner Meinung nach ist ihr nicht einmal im Haus Birgitta ausreichend geholfen worden, dafür war kein Geld da, aber …«
»Was braucht sie?«
»Betreuung rund um die Uhr«, antwortet er knapp.
»Und Therapie?«
»Ich habe nur jeweils eine Stunde in der Woche mit den Mädchen arbeiten können, mit manchen auch mal zwei, aber das ist eigentlich natürlich viel zu wenig, wenn man …«
Elins Handy klingelt, und sie entschuldigt sich, schaut auf das Display, sieht, dass es Johannes Grünewald ist. Sie nimmt das Gespräch sofort an.
»Was gibt es?«, fragt sie schnell.
»Ich bin der Sache nachgegangen, und es stimmt, dass die Staatsanwältin beschlossen hat, die Untersuchungshaft ohne weitere Vernehmungen zu beantragen«, antwortet der Rechtsanwalt. »Ich werde mit dem Amtsgericht über den Termin sprechen, aber wir brauchen noch ein paar zusätzliche Stunden.«
»Nimmt Vicky unsere Hilfe an?«
»Ich habe mit ihr gesprochen, und sie hat erklärt, dass sie mich als ihren Rechtsbeistand akzeptiert.«
»Haben Sie mich erwähnt?«
»Ja.«
»Hat sie etwas gesagt?«
»Sie ist … sie haben ihr Medikamente verabreicht und …«
»Was genau hat sie gesagt, als Sie mich erwähnt haben?«, hakt Elin nach.
»Nichts«, antwortet Johannes Grünewald kurz.
Daniel sieht, wie ein plötzlicher Schmerz durch Elin Franks schönes, ebenmäßiges Gesicht zieht.
»Wir treffen uns im Krankenhaus«, sagt sie. »Es wird das Beste sein, sofort mit ihr darüber zu sprechen, bevor wir weitermachen.«
»Ja.«
»Wann können Sie in der Klinik sein, Johannes?«
»In etwa zwanzig Minuten, das müsste …«
»Bis dann«, sagt sie, drückt das Gespräch weg und begegnet Daniels fragendem Blick.
»Okay … Vicky hat meinen Anwalt als Rechtsbeistand akzeptiert. Ich muss hinfahren.«
»Jetzt? Was ist mit dem Essen?«
»Es ist bestimmt sehr gut«, sagt sie und steht auf, »aber wir können doch auch hinterher noch etwas essen.«
»Natürlich«, erwidert er leise.
»Magst du mich nicht ins Krankenhaus begleiten?«, fragt sie.
»Ich weiß nicht, ob ich das aushalte«, antwortet er.
»Ich meine nicht, dass du sie treffen sollst«, beteuert sie schnell.»Ich denke nur an mich, ich würde mich ruhiger fühlen, wenn ich wüsste, dass du vor der Tür auf mich wartest.«
»Elin, es ist nur … Ich bin einfach noch nicht so weit, dass ich an Vicky denken kann … Ich brauche noch etwas Zeit. Elisabeth ist tot … und obwohl ich nicht glauben kann, dass Vicky das getan haben soll …«
»Ich verstehe«, sagt Elin. »Es wäre vielleicht keine so gute Idee, ihr zu begegnen.«
»Vielleicht wäre es andererseits aber auch gerade gut«, bemerkt er zögernd. »Vielleicht würde es mich dazu bringen, mich zu erinnern, ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich auf eine Begegnung reagieren würde.«
146
ALS SAGA DEN RAUM BETRITT , wendet Vicky sich ab. Weiße Gurte sind um Hand- und Fußgelenke sowie über ihre Brust gespannt.
»Nehmen Sie die Gurte ab«, sagt Saga.
»Dazu bin ich nicht befugt«, entgegnet die Krankenschwester.
»Es ist gut, dass sie Angst vor mir haben«, flüstert Vicky.
»Hast du die ganze Nacht so gelegen?«, erkundigt sich Saga und setzt sich auf einen Stuhl.
»Mm …«
Vicky liegt ganz still, mit abgewandtem Gesicht und schlaffem Körper.
»Ich treffe mich mit deinem neuen Rechtsbeistand«, sagt Saga. »Die Haftprüfungsverhandlung ist anscheinend für
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