Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Waschküche verfolgte und sie dort umbrachte, um ihr die Schlüssel zum Isolierzimmer zu entwenden.
Vicky hat den Kopf gesenkt, Tränen tropfen in ihren Schoß.
Die Staatsanwältin beschreibt den zweiten Mord, die Flucht durch den Wald, den Diebstahl des Autos, den spontanen Menschenraub und schließlich die Ergreifung in Stockholm, den gewalttätigen Ausbruch der Verdächtigen bei den Vernehmungen und die Fixierung ans Bett.
Menschenraub wird mit einer Gefängnisstrafe von vier Jahren bis lebenslänglich geahndet, auf vorsätzlichen Mord stehen mindestens zehn Jahre.
Susanne Öst erhebt sich, als sie Vicky Bennet als extrem gewaltbereit und gefährlich beschreibt, aber nicht als Monster. Um der Verteidigung zuvorzukommen, achtet sie sorgsam darauf, mehrfach Vickys positive Seiten zu erwähnen. Der Vortrag der Staatsanwältin ist geschickt aufgebaut, und sie beendet ihn, indem sie aus dem Vernehmungsprotokoll zitiert.
»Während der dritten Vernehmung gestand die Verdächtigebeide Morde«, erklärt die Staatsanwältin und blättert im Vernehmungsprotokoll. »Ich zitiere, ›Ich habe Miranda getötet‹, und später antwortete die Verdächtige auf meine Frage, ob … ob Elisabeth Grim ihr die Schlüssel ausleihen wollte: ›Ich habe ihr den Schädel zu Brei geschlagen‹.«
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MIT MÜDEM GESICHT wendet sich der Richter Vicky Bennet und Johannes Grünewald zu und fragt förmlich, ob sie Einwände gegen die Darstellung der Staatsanwältin erheben. Vicky starrt ihn aufgewühlt an. Sie schüttelt den Kopf, aber Johannes Grünewald unterdrückt ein Lächeln, als er sagt, dass er das Ganze gerne noch ein letztes Mal durchgehen würde, um sicherzugehen, dass dem Gericht auch nichts entgangen ist.
»Ich habe mir schon gedacht, dass wir mit Ihnen im Gerichtssaal nicht so einfach davonkommen würden«, erwidert der Richter ruhig.
In seiner Gegenrede entscheidet sich der Anwalt dafür, weder auf Indizien einzugehen, noch Vickys Schuld in Frage zu stellen. Dagegen wiederholt er die positiven Einschätzungen Susanne Östs und betont mehrfach Vickys geringes Alter.
»Obwohl Vicky Bennet und ihr früherer Rechtsbeistand die Vernehmung als sachlich richtig bezeichnet haben, hätte die Frau Staatsanwältin dies nicht tun dürfen«, erklärt Johannes Grünewald.
»Die Staatsanwältin?«
Der Richter sieht ihn verständnislos an, bis der Anwalt zu ihm geht und ihm Vicky Bennets Antwort in der Niederschrift der Tonaufnahme zeigt. Die Staatsanwältin hat die Worte »Ich habe Miranda getötet« mit gelbem Textmarker unterlegt.
»Lesen Sie ihre Antwort vor«, bittet Johannes den Richter.
»Ich habe Miranda getötet«, liest er.
»Nicht nur die markierten Worte.«
Der Richter zieht seine Brille an und liest:
»Ich habe Miranda getötet – oder?«
»Betrachten Sie das als Geständnis?«, fragt der Anwalt.
»Nein«, antwortet der Richter.
Susanne Öst erhebt sich.
»Aber die nächste Antwort«, versucht sie zu sagen. »Das nächste Geständnis ist …«
»Still«, unterbricht der Richter sie.
»Lassen Sie die Staatsanwältin es bitte selbst vorlesen«, schlägt Johannes Grünewald vor.
Der Richter nickt, und auf Susanne Östs Stirn treten Schweißtropfen, als sie mit zittriger Stimme vorliest:
»Ich habe ihr den Schädel zu Brei geschlagen.«
»Das klingt für mich jetzt schon nach einem Geständnis«, sagt der Richter und wendet sich dem Anwalt zu.
»Schauen Sie sich doch bitte mal an, was kurz zuvor in der Niederschrift steht«, sagt Johannes Grünewald und zeigt auf die entsprechende Stelle.
»Die Vernehmung ist beendet«, liest der Richter.
»Wer sagt, dass die Vernehmung beendet ist?«, will der Anwalt wissen.
Der Richter streicht mit der Hand über das Protokoll und betrachtet die Staatsanwältin.
»Das habe ich gesagt«, antwortet die Staatsanwältin leise.
»Und was bedeutet das?«, fragt der Richter.
»Dass die Vernehmung beendet ist«, antwortet sie. »Aber ich wollte nur …«
»Sie sollten sich schämen«, unterbricht der Richter sie schneidend.
»Dieses Material in einer Haftprüfungsverhandlung zu benutzen, verstößt gegen schwedisches Recht, Artikel 40 der UN-Kinderkonvention und die Vereinbarungen des Europarats«, erklärt Johannes Grünewald.
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SUSANNE ÖST lässt sich schwer auf ihren Platz fallen, gießt Wasser in ihr Glas, verschüttet ein wenig, streicht die Tropfen mit dem Ärmel fort und trinkt mit zitternder Hand. Erst als sie hört, dass Johannes Grünewald Daniel Grim
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