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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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Erinnerung, wiederholt er innerlich und betrachtet Floras blasses Gesicht.
    Gelbe Herbstblätter wirbeln durch die Luft, und plötzlich erkennt Joona, wie alles zusammenhängen muss. Als würde ein Vorhang zur Seite gezogen und Licht in einen großen Raum fluten. Er weiß, dass er den Schlüssel gefunden hat, mit dem er das ganze Rätsel lösen kann.
    »Das sind Sie«, flüstert er, und es schaudert ihn bei seinen Worten.
    Er begreift jetzt, dass Flora die Zeugin ist, die sich im Glockenturm aufhalten sollte.
    Sie selbst ist die Zeugin, aber sie hat nicht gesehen, wie Miranda ermordet wurde.
    Es geht um ein anderes Mädchen.
    Um jemanden, der genauso getötet wurde.
    Es geht um ein anderes Mädchen, aber um denselben Mörder.
    Die Erkenntnis erscheint ihm auf einmal ganz selbstverständlich und zieht einen stechenden Migräneschmerz nach sich. Für eine langgezogene Sekunde hat er das Gefühl, eine Pistolenkugel würde seinen Kopf durchschlagen. Er tastet nach einem Halt und hört Floras besorgte Stimme die Dunkelheit durchdringen, ehe der Schmerz wieder verschwunden ist.
    »Sie haben alles gesehen«, sagt er.
    »Sie bluten«, erwidert sie.
    Aus seiner Nase rinnt ein wenig Blut, und er sucht und findet in seiner Tasche eine Serviette.
    »Flora«, sagt er. »Sie selbst sind die Zeugin, die sich in dem Turm aufhalten soll …«
    »Aber ich habe doch gar nichts gesehen.«
    Er presst die Serviette gegen seine Nase.
    »Sie haben es nur vergessen.«
    »Aber ich war nicht da, das wissen Sie, ich bin nie im Haus Birgitta gewesen.«
    »Sie haben etwas anderes gesehen …«
    »Nein«, flüstert Flora und schüttelt den Kopf.
    »Wie alt ist der Geist?«, fragt Joona.
    »Wenn ich träume, ist Miranda ungefähr fünfzehn … aber wenn sie richtig zu mir kommt, wenn es ist, als stünde sie wirklich im Raum, ist sie klein.«
    »Wie alt?«
    »Fünf.«
    »Wie alt sind Sie jetzt, Flora?«
    Sie bekommt Angst, als sie seinen seltsam grauen Augen begegnet.
    »Vierzig«, antwortet sie leise.
    Joona denkt, dass Flora einen Mord beschrieben hat, dessen Zeuge sie als Kind wurde, aber sie hat die ganze Zeit geglaubt, sie würde über die Morde im Haus Birgitta sprechen.
    Als Joona sein Handy in die Hand nimmt und Anja anruft, weiß er, dass er recht hat. Durch einen Tunnel aus Zeit sah Flora plötzlich, was sie verdrängt hatte. Deshalb sind diese Erinnerungsbilder so mächtig und verwirrend gewesen.
    »Anja«, fällt er seiner Assistentin sofort ins Wort, als sie sich meldet. »Sitzt du am Computer?«
    »Sitzt du an einer besseren Stelle?«, fragt sie amüsiert.
    »Kannst du bitte mal recherchieren, ob vor ungefähr fünfunddreißig Jahren etwas in Delsbo passiert ist.«
    »Etwas Bestimmtes?«
    »Es geht um ein fünfjähriges Mädchen.«
    Während Anja auf ihrer Tastatur tippt, sieht Joona, dass Flora zur Kirche tritt, mit der Hand über die Fassade streicht und umdie Kirchenvorhalle herumgeht. Er geht ihr nach, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Ein Igel verschwindet watschelnd zwischen einigen Grabsteinen.
    Hinter der Allee bewegt sich der Mähdrescher von einer Staubwolke umgeben über ein Feld.
    »Ja«, sagt Anja und atmet durch die Nase. »Es gab einen Todesfall … Vor sechsunddreißig Jahren wurde an der Kirche von Delsbo ein fünfjähriges Mädchen gefunden. Mehr steht hier nicht. Die Polizei kam zu dem Schluss, dass es ein Unfall war.«
    Joona sieht, dass Flora sich umdreht und ihn mit einem schweren, seltsamen Blick ansieht.
    »Wie hieß der Polizist, der damals die Ermittlungen leitete?«
    »Torkel Ekholm«, antwortet Anja.
    »Kannst du bitte versuchen, seine Adresse herauszufinden?«

161
    ZWANZIG MINUTEN SPÄTER parkt Joona seinen Wagen auf einem schmalen Kiesweg. Flora und er öffnen ein Eisentor, gelangen in einen schattigen Garten und gehen zu einem roten Holzhaus mit weißen Fensterrahmen und Eternitplatten auf dem Dach. Das herbstliche Grün ist voller surrender Insekten, der Himmel trübgelb von drohendem Regen und Donner. Joona klingelt, und ein ohrenbetäubender Klingelton schallt in den Garten hinaus.
    Man hört ein Schlurfen, dann wird die Tür von einem Greis in einer Strickweste mit Hosenträgern und Pantoffeln geöffnet.
    »Torkel Ekholm?«, fragt Joona.
    Der Mann stützt sich auf einen Rollator und sieht sie mit den wässrigen Augen eines alten Mannes an. Hinter dem großen und faltigen rechten Ohr lugt ein Hörgerät heraus.
    »Wer fragt?«, sagt er mit kaum hörbarer Stimme.
    »Joona Linna, Kommissar

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