Flammentod
gegeben. Er hat es für ein ausgefallenes Spielchen gehalten.«
»Was habe Sie dann gemacht?« keuchte ich. Ich bekam in dem Benzindunst kaum noch Luft.
Ein Feuerzeug flammte auf. In seinem gelben Schein sah ich Diepeschraths Gesicht. Die blonden Haare standen wirr ab, die Schminke war verlaufen. Sein Gesichtsausdruck war zu einer Fratze verzerrt.
»Etwas Benzin … eine Flamme … So eine wie diese hier.«
»Woher hatten Sie das Benzin?« rief ich, wobei ich verzweifelt versuchte, ihn weiter am Reden zu halten.
»Aus seinem Wagen … Und alles brannte … Alles verbrannte … Es war ein schönes, hohes Feuer … Er brannte eine Stunde lang.«
»Und Sie haben den Kanister hinterher bei Becker im Garten versteckt.«
»Alles brannte. Er… und die Kanister … Alles. Bis nur noch Asche übrig war.«
Mein Brustkorb schien sich mit Eis zu füllen, und gleichzeitig begann ich am ganzen Körper zu schwitzen, als hätte ich hohes Fieber. Mein Kopf wummerte vom rasenden Herzschlag, der so laut war, daß er den ganzen Wald zu beschallen schien. Ich hatte eigentlich immer geglaubt, ich wüßte, was Angst ist. In diesem Moment jedoch lernte ich es zum ersten Mal in meinem Leben.
»Ich habe ihn hingerichtet, wie Katharina hingerichtet wurde«, zischte Diepeschrath, das brennende Feuerzeug immer noch in der Hand. »Erwürgt und verbrannt. Den Scheiterhaufen bereitet und verbrannt. Seine Asche verstreut. Katharina gerächt…«
Hinter dem Wummern in meinem Kopf schwoll ein anderes Geräusch immer mehr an. Es war eine Art Rauschen; wie zerplatzender Schaum, knisternd, nur viel, viel lauter.
»Katharina gerächt… Scheiterhaufen … Asche …« Die Worte hallten wie ein Echo in meinem Kopf. Diepeschraths Gesicht im Schein der Flamme verschmolz zu einer gelben Fläche, und die Litanei begann wieder. Seine Stimme senkte sich; sie klang wie die eines Priesters, der eine Beerdigung zelebriert.
»Anno sechzehnhundertzwölf auf Samstag, den fünfzehnten Septembris zu Paffrath ist wegen Scheur Treinen, der berüchtigten Hexen peinlich und all noch bestehentlich Bekenntniß und sonstiger gehabter Inquisition dahin erkläret, daß es mit gedachter Scheuer Treine gehalten, daß sie durch das Feuer vom Leben zum Tode gebracht werden soll… vom Leben zum Tode … vom Leben zum Tode.«
13. Kapitel
Als ich zu mir kam, lag ich auf der Seite. Menschen kamen herangelaufen. Plötzlich war die Waldlichtung hell beleuchtet. Ich sah Gerd Diepeschrath, wie er in gebückter Haltung geblendet die Hand vor die Augen hielt. Von seinem Arm tropfte Blut. Neben ihm stand etwas: ein Kanister. Jemand packte mich, und dann waren meine Arme frei. Sie sackten nach unten, und ich fiel auf den Rücken wie ein Sack. So mußte sich ein Gelähmter fühlen. Ich hustete und zwang mich, nach oben zu kommen. Kaum hatte ich mit den Anstrengungen begonnen, überfiel mich ein Zittern, als hätte ich starken Schüttelfrost.
»Hier rüber«, rief ein Mann neben mir, und es kamen noch mehr Menschen.
»Sind Sie verletzt? Sollen wir einen Krankenwagen holen?« Es war Sommer.
Ich bewegte meine Gliedmaßen, in die langsam das Leben zurückkehrte. Ich hatte keine Schmerzen. »Ich glaube nicht. Können Sie mir aufhelfen?« fragte ich.
Gemeinsam packten sie mich unter den Armen und zogen mich nach oben. Blaue Lichter kreisten hinter den Bäumen an der Straße. Langsam bewegten wir uns darauf zu. Eine Wagentür wurde aufgehalten, und ich ließ mich auf die Rückbank fallen. Das weiche Polster war eine Wohltat.
»Wirklich alles okay?« fragte Sommer.
»Nur einen Moment ausruhen«, murmelte ich.
»In Ordnung.«
Das Herumgelaufe ging weiter. Zwei uniformierte Polizisten kamen vorbei und führten Gerd Diepeschrath ab. In seinen schmutzigen Frauenkleidern sah er kläglich aus. Und er stand offensichtlich unter Schock.
Die kreisenden blauen Lichter stachen mir ins Hirn, und ich schloß eine Weile die Augen. Ich öffnete sie wieder, als mir jemand ins Gesicht patschte.
»Geht’s wieder?« fragte Sommer. »Sind Sie ganz sicher, daß Sie keine ärztliche Hilfe brauchen?«
Ich reckte mich etwas. »Ganz sicher«, sagte ich. »Ich hatte nur ein bißchen Angst.«
Sommer stieg auf der Fahrerseite ein. »Wir müssen gleich in die Zentrale«, sagte er. »Dort wartet Frau Diepeschrath auf ihre Vernehmung.« Er wandte sich um. »Glauben Sie, Sie können dabei sein? Das wäre mir sehr recht.«
»Wenn ich mich auf der Hinfahrt noch ein bißchen ausruhen kann … Wird schon
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