Flammenzungen
würde ihre Freundschaft auf eine Probe gestellt werden.
„Ich bin im Wohnzimmer. Ihr wollt sicher ...“, Lorcan grollte und erhob sich, „alleine sein.“
Stirnrunzelnd schaute sie ihm hinterher, als er die Küche verließ. War er etwa eifersüchtig? Unmöglich. Wahrscheinlich befürchtete er lediglich, dass Nabil sie davon überzeugen könnte, ihn rauszuwerfen, was er zweifelsohne versuchen würde.
Ihr Freund neigte sich zu ihr und fragte mit gedämpfter Stimme: „Bist du von allen guten Geistern verlassen?“ „Nun mach aber mal halblang.“ Sie stieg aus ihren Pumps und massierte ihre Fußsohlen.
Nabil spähte durch die geöffneten Türen, als wollte er prüfen, ob Lorcan auch wirklich zwei Räume von ihnen entfernt saß oder etwa im Badezimmer stand und lauschte. „Das ist doch einer dieser Penner, oder?“
„Er ist anders als die anderen.“
War er das wirklich? Sie kannte ihn ja kaum. Erhitzt von dem Ärger mit ihrem Fahrzeug, zog sie den Saum ihrer Bluse aus der Hose. Sie öffnete den obersten Knopf ihres Oberteils und bemerkte, dass Nabil auf ihr Dekollete starrte. Die Ansätze ihrer Brüste waren zu sehen.
Verlegen wandte er sich ab. „Du lässt dich von seinem guten Aussehen täuschen.“
„Er trinkt nicht und nimmt keine Drogen.“ Und er pflegte sich. Sogar seinen Intimbereich rasierte er. Ob Nabil das auch tat? Sie glaubte nicht, da er stets betonte, dass ihm Amys Natürlichkeit gefiel. Bestimmt traf das auch auf seinen Körper zu.
Er kam zu ihr und stellte sich vor sie. „Hast du keine Angst, dass er über dich herfällt?“
Hitze stieg ihr in die Wangen. Sie wischte mit dem Trockentuch über die Arbeitsfläche, um seinem Blick auszuweichen.
„Oh mein Gott! Du hast mit ihm geschlafen.“ Da sie schwieg, fasste er sie an den Schultern und schüttelte sie so, dass sie ihm wieder ihre Aufmerksamkeit widmet. „Hast du? Oh ja, ich sehe es dir an. Du musst verrückt geworden sein.“
Energisch befreite sie sich aus seinem Griff, der ihr wehtat. Er hatte seine Finger förmlich in ihr Fleisch gebohrt. Aber sie nahm es ihm nicht übel. Im Grunde war er ein herzensguter Kerl, nur eben manchmal etwas tollpatschig. Er tat unüberlegte Dinge, wie beispielsweise einen Frosch von der Fahrbahn zu retten, indem er ihn aufhob und in hohem Bogen wegwarf.
Als sie Kinder waren, hatte er Skyler versehentlich beim Spielen einen Arm gebrochen. Und als Jugendliche war Amy in den Mississippi gefallen. Todesmutig war Nabil trotz der gefährlichen Strömung hinterhergesprungen. Aber während er sie an Land zog, hatte er versehentlich ihren Kopf unter Wasser gedrückt, sodass sie beinahe in den Armen ihres Retters ertrunken wäre. Er hegte stets gute Absichten, unglücklicherweise wählte er oft die falschen Mittel und Methoden.
„Deswegen ist er noch hier, habe ich recht?“ Abfällig schnaubte er. „Du hältst dir einen Toyboy.“
„Red keinen Unsinn!“ Ob Lorcan ebenso dachte? Hatte er sie verführt, um bei ihr wohnen zu können? Aus Kalkül, oder war das seine Art der Bezahlung, weil er kein Geld besaß? „Ich kann ihn nicht einfach auf die Straße setzen. Du weißt, dass ich so nicht bin.“
Nabil faltete die Hände und hielt sie vor ihr Gesicht. „Lass jemand anderen den guten Samariter spielen, Amy, bitte.“ „Ich werde ihm helfen, eine Bleibe zu finden. Bis dahin schläft er auf meiner Couch!“ Selbst in ihren Ohren klang das unglaubwürdig. Lorcan stellte die pure Sünde für sie dar. Er. war der verbotene Apfel im Paradies. Sie durfte nicht von ihm kosten, doch sie schien unfähig, sich gegen ihr eigenes Verlangen zu wehren. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass er harmlos war.
„Ohne festen Wohnsitz gibt es keine Sozialhilfe, und ohne Sozialhilfe gibt es keine Wohnung und auch keinen Job. Es würde Wochen dauern, ihm auf die Beine zu helfen. Soll er so lange dein Bett mit dir teilen für eine warme Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf?“
„Pass auf, was du sagst!“
Nabil rieb mit der Handfläche über seine Stirn. „Es tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen. Ich hätte dir das nur nicht zugetraut.“
„Was soll das denn heißen?“ Er tat ja gerade so, als hätte sie Lorcan heimlich geheiratet. Aber er hatte recht. Bis vor Kurzem hätte sie selbst nie geglaubt, sich mit einem Clochard einzulassen. Und erst recht nicht mit jemandem, der in einer Vollzugsanstalt gesessen hatte - egal ob er eine Haftstrafe verbüßt oder es sich nur um Untersuchungshaft gehandelt
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