Flammenzungen
Acadiaria Groceries seine Waren von unabhängigen Farmen aus Louisiana bezog.
Amy hasste diesen Kerl, der ihr Leben in Bahnen verschoben hatte, die sie eigentlich meiden wollte!
Hin und wieder träumte sie von ihm. Von seiner Skimaske, seinem Messer und seinem nach Fleisch stinkenden Atem. Er legte sich wie ein Schatten auf ihr Gemüt, während sie sich nicht wehren konnte, weil sie schlief. Keuchend wachte sie in der Nacht auf und glaubte, keine Luft mehr zu bekommen, als würde eine unsichtbare Last auf ihr liegen, sein Körper, der sich gierig an sie presste. Doch seit Lorcan neben ihr ruhte, quälten sie keine Albträume mehr. Er verscheuchte die Dämonen. Oder ersetzte er sie nur durch neue?
Ihr Einkaufskorb füllte sich rasch, schließlich musste sie nun für zwei Personen Lebensmittel besorgen. Obwohl sie nicht wusste, was sie von Lorcan halten sollte, fühlte es sich gut an, nicht mehr allein zu leben.
„Die Getränke trägst aber du ins Haus“, sagte sie laut, als würde er neben ihr zum nächsten Gang gehen, und dachte daran, dass Wanda ihrem Freund ein T-Shirt mit dem Aufdruck To carry heavy things and to kill hugs zum Einzug in die gemeinsame Wohnung geschenkt hatte, um klarzustellen, welche Aufgaben definitiv die seinen waren.
Plötzlich stieß sie mit einem Mann zusammen. Er war just in dem Augenblick um die Ecke gekommen, als Amy in den Gang eingebogen war. Entschuldigend hob er die Hände. „Sorry, Miss, ich ...“
Abrupt verstummte er. Auch Amy verschlug es die Sprache. Vor ihr stand der Indianer, der Lorcan zusammengeschlagen hatte. Der Schnürsenkel an seinem Hinterkopf leuchtete neongrün und sah aus wie eine Grasnatter, die sich um seine fettigen Haare geschlungen hatte. Hektisch schaute er in alle Richtungen und entschied sich für die Flucht zurück.
Ihr Gerechtigkeitssinn meldete sich so stark, dass sie ohne nachdenken rief: „Halt!“
„Lassen Sie mich einfach gehen“, sagte er keineswegs bettelnd. Ihr viel auf, dass er sie siezte. Als er sie im Asyl angepöbelt hatte, war sie von ihm geduzt worden.
„Sie haben meinen Freund brutal zusammengeschlagen.“ Hatte sie tatsächlich „mein Freund“ gesagt? „Ich werde einen Wachmann informieren.“ Sie schaute sich nach der Supermarkt-Security um, damit sie ihn der Polizei übergeben konnte.
Kopfschüttelnd kam er auf sie zu. Ihre Beine kribbelten. Amy wollte weglaufen, doch ihre Füße schienen mit einem Mal aus Blei zu sein. Ängstlich öffnete sie ihre Tasche, schob ihre Hand hinein und tastete nach ihrer Waffe.
Der Revolver war nicht da!
Aber sie trug ihn doch seit dem Überfall immer bei sich, um nicht denselben Fehler noch einmal zu begehen, nämlich den Colt ausgerechnet dann nicht parat zu haben, wenn sie ihn brauchte. Hektisch kramte sie. Nichts.
„Kommen Sie keinen Schritt näher!“, rief sie, und ihre Stimme zitterte.
Der Hüne blieb stehen. Nur ihr Einkaufswagen trennte sie. Eine Frau ging an ihnen vorbei und zog ihr zweijähriges Kind zu sich heran. „Bitte reden Sie leiser, Ms. Amy. Ich will keinen Ärger.“
Fast hätte sie laut gelacht. „Den haben Sie sich selbst eingebrockt.“
„Ich bin vorbestraft.“ Er rieb sich mehrmals übers Gesicht. „Beim nächsten Mal komme ich nicht so schnell wieder aus dem Bau raus, und ich gehe da drin kaputt.“
Er zeigte keinerlei Aggression sondern wirkte vielmehr wie ein großer Fleischklops. Amy entspannte sich etwas. Er schien nicht derselbe Mann zu sein, der im Obdachlosenasyl Krawall geschlagen hatte. Aber sie konnte sich an seinen Atem an jenem Abend erinnern. Alkohol verändert die Menschen. „Sie sollten nicht trinken.“
„Das tue ich nicht.“ Verlegen schaute er auf seine Sandalen. Er trug zwar einen Pullover, aber keine Strümpfe. Seine gelben Fußnägel ragten bis über den Rand hinaus.
Überführten die roten Flecken auf seinen Wangen ihn einer Lüge? „Stellen Sie sich selbst, oder ich rufe das Wachpersonal.“
„Lorcan hat mich nicht bei den Cops angezeigt, habe ich recht?“ Er lächelte müde.
„Woher kennen sie seinen Namen?“ Im Asyl redete Lorcan so gut wie nie mit den anderen Stadtstreichern.
„Ich kenne ihn besser als Sie.“ Er machte eine bedeutungsschwangere Pause, in der sie fieberhaft darüber nachdachte, was er damit gemeint haben könnte. „Ohne Anzeige hat die Polizei nichts gegen mich in der Hand. Sie würde mich sofort wieder laufen lassen. Also, sparen wir uns beide die Mühe.“
Amy fasste den Griff des
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