Flammenzungen
anderen geladenen Damen, die entweder eine cremefarbene oder schwarze Abendgarderobe trugen. Bei ihnen lag jedes einzelne Haar akkurat. Ihre blonden Locken hatte Kimora zwar hochgesteckt, aber nur locker, sodass sich einige Haarsträhnen schon nach der Begrüßung der Gäste gelöst hatten. Im Gegensatz zu allen anderen wirkte sie ungezähmt, wie ein nicht mehr ganz so junges Hippiemädchen, das trotz erster Fältchen um die Augen seinen jugendlichen Charme nicht eingebüßt hatte.
Lorcan spürte ein Zucken in den Lenden und trank sein Glas mit einem Schluck leer. Der Alkohol tat ihm nicht gut, stellte er fest, als er über den Rasen zu Gavin und seinem Gefolge aufschloss, die vor dem Pavillon standen - anstatt ihn zu entspannen, nährte er den Unmut in ihm. Er hoffte, er würde seine Zunge im Zaum halten können. Am liebsten hätte er allen gesagt, dass dieses Anwesen noch zur Hälfte der Bank gehörte. Die Geschäfte von Buckley MacConmara florierten, aber die Immobilienfirma war noch jung. Man scheffelte keine Millionen von heute auf morgen. Der Markt könnte einbrechen, oder es könnte etwas Unvorhergesehenes passieren.
Genervt stellte er sich zu Gavins Jüngern und lauschte den Lobeshymnen, die sein Partner auf sich selbst anstimmte.
Gavin trat auf die zweite Stufe des Eingangs, damit alle ihn sehen konnten. »Ich habe diesen Pavillon für meine liebe Ehefrau umgestalten lassen. Sie hat es verdient, immerhin hat sie mich geheiratet. Opfer müssen belohnt werden.“
Lorcan hörte Kimoras Lachen, aber es klang peinlich berührt.
„Er hat fast so viel gekostet wie die Renovierung der Villa. Alles wurde rausgerissen. Am Ende standen nur noch die vier Säulen an den Ecken.“ Sein Gesicht war so rot wie seine Haare, entweder vom Wein oder vor Euphorie. „Kimora wollte Wände aus Glas, also habe ich sie ihr gekauft. Sie wünschte sich ein gläsernes Dach, das sie verdunkeln kann, denn der Lichteinfall ist wichtig beim Malen, und ich besorgte es ihr. Eine Sonderanfertigung. Kostspielig, aber nichts ist mir zu teuer für meine Frau, mein wahres Glück.“
Lorcan ließ sein leeres Glas einfach ins Gras fallen. War das der Gavin, mit dem er nächtelang in den Pubs auf der Bourbon Street gesessen und Pläne für eine geschäftliche Partnerschaft geschmiedet hatte? Er erkannte den Streichholzkopf, wie er ihn früher genannt hatte, kaum wieder. Heutzutage wurde Gavin regelrecht böse, wenn Lorcan ihn mit Spitznamen wie „Feuerteufel“ neckte. Gavin Buckley war schließlich jetzt wer. Ein Geschäftsmann. Der Jungunternehmer des Jahres. Ein Ehemann.
Letzteres störte Lorcan am meisten. Er fühlte wie sein Schwanz gegen die Naht seiner Hose drängte, und schaute in die Gesichter der Männer und Frauen. Bemerkten sie nicht, dass sich Gavin mit dem Hauskauf übernommen hatte? Sahen sie nicht, dass er in Wahrheit Kimora damit kaufen wollte?
Der Gavin von früher hatte sich nicht viel aus Statussymbolen gemacht. Aber inzwischen schien ersieh um hundertachtzig Grad gedreht zu haben. Wie er dort auf der Treppe stand und prahlte, trat er auf wie ein Zirkusdirektor, der seine blutleeren Nummern anpries, um das Publikum zu beeindrucken. Lorcan ahnte jedoch, dass es Kimora war der er imponieren wollte.
Gavin war nicht dumm, er spürte das Knistern zwischen Lorcan und ihr. Da er kein großer Verführer war, glaubte er wohl, sie mit einem großen Haus und einem Atelier an sich binden zu können. Lorcan wusste es besser. Kimora war zu clever, um sich davon einwickeln zu lassen.
Erst als Lorcan von Gavins Neuerwerb gehört hatte, hatte er sich eine Eigentumswohnung am Ende des French Quarters im Stadtviertel Treme zeigen lassen. Er hatte schon immer von einem Apartment mit Blick auf den Louis-Armstrong-Park geträumt. Es war die einzige freie Wohnung, denn die Gegend war trotz der hohen Preise heiß begehrt - aber sie hatte kein Kinderzimmer und kam deshalb nicht für ihn infrage.
Nur mit einer Faust in der Tasche ertrug Lorcan die Besichtigung des Pavillons. Bei den Pinseln lagen auch Schaber. Er konnte sich gerade noch zurückhalten, einen Spachtel zu nehmen und auf das Porträt, das Kimora von Gavin gemalt hatte, einzustechen. Das Bild war als einziges gut ausgeleuchtet, damit es auch jedem ins Auge fiel.
Plötzlich tauchte Kimora neben ihm auf und flüsterte ihm ins Ohr: „Er ist immer noch dein Freund.“ Vorwurfsvoll schaute sie ihn an.
Lorcan suchte sein Spiegelbild in der Scheibe. Sein Gesicht sah aus wie das eines
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