Flammenzungen
und von ihm bestohlen worden war sie auch nicht, darauf hatte sie während der Zeit, die er bei ihr wohnte, genauestens geachtet. Das konnte nur bedeuten, dass er sich sehr wohl an dem Blutgeld, wie er es nannte, bedient hatte. Er hatte sie erneut angeschwindelt. Ihre Ent täuschung war groß.
„Hast du dich ihretwegen derart in die Suche verbissen?“ Amy machte eine Pause, damit ihre nächste Frage wie eine Bombe einschlug: „Oder wegen dem Kind, das sie von dir erwartete?“
Lorcans Züge entgleisten.
Rasch rechnete Amy zurück. Wenn Kimora zum Zeit punkt ihrer Verschleppung im Januar schwanger gewe sen war, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie längst entbunden hatte. Falls sie lange genug gelebt hatte. „Du hast selbst gesagt, dass du von einer Familie geträumt hast. Kimora bestimmt auch, aber nicht mit dir. Wollte sie das Baby abtreiben lassen? Hat dich das so zornig gemacht, dass du ...“
Als er sich erhob, verstummte sie ängstlich. Doch er blieb, wo er war. „Wie kannst du so etwas von mir denken?“
Obwohl sie aufgebracht war, bekam sie ein schlechtes Ge wissen. Vielleicht beschuldigte sie ihn tatsächlich zu Unrecht. Es konnte durchaus sein, dass Gavin von dem Kuckuckskind erfahren hatte, ausgerastet war und seine Ehefrau ermordet hatte. Schließlich schien er sie vergöttert zu haben.
Auf der anderen Seite hatte Amy ihn kennengelernt. Ga vin war nicht der Typ Mann, der einen Tobsuchtsanfall be kam. Sie schätzte ihn eher so ein, dass er alle Probleme mit sich selbst ausmachte und still litt. Aber wie sagte ihre Mut ter immer so schön? „Man kann einem Menschen nicht in den Kopf hineinsehen.“ Wahrscheinlich konnte man jeden bis aufs Blut reizen.
Amy atmete tief durch. „Ich kenne dich doch gar nicht, Lorcan MacConmara. Vom ersten Augenblick an warst du unaufrichtig zu mir. Auch was deine Gefühle für Kimora betrifft.“
„Sie hat keinen Nachwuchs erwartet“, stellte Lorcan tro cken klar. „Das ist nur ein Gerücht.“
Abfällig zuckte sie mit den Mundwinkeln und richtete ihren Oberkörper auf. „Ja, sicher.“
Hilflos schaute er sich um, stieß die Luft aus seinen Lun gen aus und ließ die Schultern hängen. „Du weißt doch, wie das ist. Es wird viel geredet, und jeder dichtet etwas dazu, wie ein Schneeball, der zu einer Lawine wird. Der Vorfall wurde ausgeschmückt, damit er noch dramatischer klingt, und immer mehr auf gebauscht.“
„Als ob deine Lebensgeschichte das nötig hätte.“ Sie ver schränkte die Arme vor dem Bauch.
„Gehässige Lästereien. Manche Leute fühlen sich besser, wenn sie hören, dass einer, der den finanziellen Hintergrund hat, um sich ein Apartment in Treme mit Blick auf den Louis Armstrong Park zu leisten, erst im Zuchthaus und dann auf der Straße landet.“ Angewidert rümpfte er die Nase.
„Du bist kein Stadtstreicher, sondern nur jemand, der so tut, als wäre er arm.“ Und vielleicht tat er auch nur so, als wäre er das Opfer, obwohl er der Täter war. Wer wusste das schon ?
Amy war durcheinander. Stöhnend rieb sie sich übers Ge sicht. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Noch immer emp fand sie viel für Lorcan. Nein, für den Mann, der er vorgab zu sein. Der wahre Lorcan war ein Betrüger und Lügner.
Nun, da sie die Wahrheit kannte, gab es kein Zurück mehr. Sie musste sich von dem Wunsch verabschieden, dass alles wieder so werden könnte wie Anfang August. Morgen war der erste September. Bei Sonnenaufgang würde Lorcan bereits zu ihrer Vergangenheit gehören. Warum machte sie diese Unausweichlichkeit nur so fertig?
„Ich werde für eine Stunde zu meinen Eltern fahren.“ Mist! Ihre Stimme zitterte bereits. „Wenn ich wiederkomme, wirst du weg sein und alles, was dir gehört.“ Dennoch würde er Spuren in ihrem Leben hinterlassen.
„Amy, bitte.“
Sie taumelte aus dem Haus, benommen von der Verzweiflung, die ein Loch in ihren Brustkorb riss. In dieser Verfassung konnte sie unmöglich Auto fahren, stellte sie missmutig fest. Die Gefahr, einen Unfall zu bauen und nicht nur sich» Wildem auch andere zu gefährden, war zu groß.
Heulend klopfte sie an Skylers Haustür. Er öffnete und sagte etwas, aber die Worte drangen nicht zu ihr durch. Schluchzend warf sie sich in seine Arme. Er zog sie tiefer in die Diele hinein. Die Tür fiel laut ins Schloss, er musste sie zugestoßen haben. Erst streichelte er ihr über den Rücken. Dann küsste er ihr Haar, legte seine Wange auf ihren Kopf und wiegte sie wie ein kleines Kind.
Nach
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