Flandry 1: Im Dienst der Erde
an. »Also gut, mein Sohn«, sagte er. »Dann mal los.«
»Ich habe Hauksberg gesprochen«, stieß Flandry hervor.
»Und? Ist er so hässlich?«
»Er … Er … Der Bastard kommt ungeschoren davon. Nicht der kleinste Fleck auf seiner verfluchten weißen Weste. Wahrscheinlich kriegt er sogar noch einen Orden. Und noch immer schwafelt er von Frieden!«
»Na, langsam. Er ist kein Verbrecher. Er leidet nur an einem starken Wunsch zu glauben. Seine politische Karriere hängt selbstverständlich an der Position, die er bezogen hat. Er kann es sich nicht leisten zuzugeben, dass er sich geirrt hat. Wahrscheinlich nicht einmal vor sich selbst. Selbst wenn wir es könnten, wäre es nicht richtig, ihn zu ruinieren. Oder angebracht. Unsere Seite braucht ihn.«
»Sir?«
»Überlegen Sie mal. Lassen Sie außer Acht, was die Öffentlichkeit hört. Überlegen Sie lieber, was der Politische Rat hören wird. Wie man ihn sieht. Wie leicht er unter Druck gesetzt werden kann, sollte er dort je einen Sitz bekommen, was ich sehr hoffe. Keine Erpressung, nichts derart Grobschlächtiges, zumal die Wahrheit nicht verbreitet werden darf. Aber im strategisch günstigen Moment eine erhobene Augenbraue. Wann immer er den Mund aufmacht, eine Erinnerung, in was er uns beim letzten Mal beinahe hineingezogen hätte. Sicher, bei den Massen wird er beliebt sein. Er wird Einfluss haben. So weit, so gut. Lieber er als jemand anderer mit den gleichen Ansichten, der noch keinen Schnitzer begangen hat. Wenn Sie auch nur ein bisschen Mitgefühl besäßen, junger Mann – was in Ihrem Alter niemand besitzt –, dann täte Lord Hauksberg Ihnen Leid.«
»Aber … Ich … Tja …«
Abrams runzelte hinter einer Qualmwolke die Stirn. »Also«, sagte er, »auf lange Sicht brauchen wir die Pazifisten als Gegengewicht für die Lehnstuhl-Raketenwerfer. Frieden schließen können wir nicht, aber genauso wenig einen richtigen Krieg führen. Wir können nur die Stellung halten. Und der Mensch ist von Natur aus nicht gerade ein besonders geduldiges Tier.«
»Also tun wir alles für null Fortschritt?« Flandry schrie beinahe. »Nur um das wenige zu behalten, das wir haben?«
Abrams senkte den graumelierten Kopf. »Wenn Gott der Herr uns so viel zugesteht«, sagte er. »Seine Gnade ist größer als seine Gerechtigkeit.«
»Aber Starkad … Tod, Schmerzen, Vernichtung, und dann doch nur der lausige Status quo? Was machen wir denn hier?«
Abrams fing Flandrys Blick auf und ließ ihn nicht mehr los. »Das will ich Ihnen sagen«, entgegnete er. »Wir mussten kommen. Dass wir gekommen sind und uns ihrer angenommen haben, so aussichtslos es auch erschien, so fern und fremd diese armen Wesen uns vorkamen und so wenig uns anging, was sie traf, das macht mir ein bisschen Hoffnung für meine Enkelkinder. Wir haben uns dem Feind widersetzt und uns geweigert, gleich welche Aggression ungestraft zu lassen; wir haben die Chance ergriffen, die er uns geboten hat, ihn zu zermürben. Und wir beweisen ihm und uns und dem Universum erneut, dass wir ihm auch nicht einen Millimeter nachgeben werden. O ja, wir haben hierher gehört.«
Flandry schluckte. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»In diesem besonderen Fall«, fuhr Abrams fort, »können wir, weil wir hierher gekommen sind, zwei vernunftbegabte Spezies vor dem Untergang retten und damit alles bewahren, was sie in Zukunft sein können. Wir hatten keine Möglichkeit, das vorher zu wissen, aber wir waren hier, als die Zeit kam. Angenommen, wir wären nicht hier gewesen? Angenommen, wir hätten gesagt, für uns sei es nicht wichtig, was der Feind in den Marken treibt. Hätte er die Eingeborenen gerettet? Das bezweifle ich. Nur, wenn ihm daraus ein politischer Vorteil entstanden wäre. So sind die Merseianer eben.«
Abrams paffte stärker. »Wissen Sie«, sagte er, »seit Echnaton in Ägypten herrschte, und wahrscheinlich schon zuvor, gab es eine Denkschule, die sagt, wir sollten unsere Waffen niederlegen und uns auf die Liebe verlassen, auf dass wir, wenn die Liebe schon nicht funktioniert, wenigstens schuldlos sterben. Normalerweise sagen selbst ihre Gegner, dass die Idee sehr edel ist. Ich sage, sie stinkt zum Himmel. Ich sage, sie ist nicht nur unrealistisch, nicht nur infantil, sondern schädlich. Sie bestreitet, dass wir irgendeine Pflicht haben, im Leben zu handeln. Denn wie könnten wir das, wenn wir uns jedes Mittel aus den Händen nehmen lassen?
Nein, mein Sohn, wir sind sterblich – was heißt, dass wir
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