Flandry 2: Höllenzirkus
grob zu dir sein«, sagte er lächelnd. »Und noch mehr tut es mir leid, dass ich dein Leben aufs Spiel setzen muss. Ich hätte darauf bestehen müssen, dass du auf Talwin bleibst. Ich hatte so viel anderes im Kopf, dass ich wohl angenommen habe, dir wäre die Freiheit doch lieber, als du mitkommen wolltest.«
»Ich habe eine freie Entscheidung getroffen«, entgegnete sie heftig. »Ich bin meinem Herrn gefolgt.«
»Das ist ein eigenartiges Nebeneinander.« Ein Summer meldete sich. »’tschuldigung, ich habe wieder zu tun. Noch eine Sekunde, und wir gehen auf Primärantrieb. Ich habe zwar den Autopiloten programmiert, aber in solch schwieriger Umgebung werde ich ihm doch lieber ein bisschen auf die Finger schauen.«
»Primär?« Bestürzung überfiel Djana. »Dann fangen sie dich doch sofort!« Das ist gut. Oder?
Das Antriebsgeräusch änderte sich. Die Sterne verschwanden, bis die Bildschirme sich umgeschaltet hatten. Bei Realgeschwindigkeit, limitiert von der des Lichtes, schoss das Boot weiter. Energie sang achtern ausgehend von der Kabine; das Boot änderte mit Maximalschub seine kinetische Geschwindigkeit.
Blink … Blink … Blink … Das blutfarbene Leuchtfeuer strahlte immer heller. Dennoch konnte Djana unmittelbar hineinblicken, ohne dass sie eine Scheibe sah. Sterne überzogen ringsum die Nacht. In welcher Richtung lag das Imperium?
Flandry konzentrierte sich wieder ganz auf die Instrumente. Zweimal korrigierte er manuell den Kurs.
Minuten vergingen, in denen Djana zu Gott flehte, er möge ihr den merseianischen Mut zurückgeben, ehe der Lärm und die Vibrationen aufhörten. Sie hatte sich daran so gewöhnt, dass sie ihr Verschwinden nicht sofort bemerkte. Dann biss sie sich auf die Zunge, um Flandry nicht in flehendem Ton eine Frage zu stellen.
Als der Terraner das Wort an sie richtete, begann sie zu zittern.
Er sprach gelassen, als wäre es noch wie in den verlorenen Tagen, da sie beide einem Schatz nachjagten. »Soweit ich es beurteilen kann, befinden wir uns noch auf Kurs. Statt unser soll das Universum zur Abwechslung mal die Arbeit machen.«
»W-w-was tun wir denn?«
»Wir befinden uns im freien Fall auf einer hyperbolischen Bahn um den Pulsar, die Merseianer nicht. Sie verteilen sich, um die Gegend abzusuchen. Sie können sich nicht so nahe heranwagen wie wir. Das Gravitationspotenzial einer solch monströsen Masse in solch kleinem Volumen, verstehst du; der Kräftegradient würde ihnen das Schiff zerreißen. Unser Bötchen ist durch seine viel kleineren Abmessungen weniger gefährdet. Mit der Hilfe des internen Gravfelds – das uns künstliche Schwerkraft schenkt und den Beschleunigungsandruck aufhebt – müsste es heil bleiben. Die Merseianer warten ohne Zweifel, bis wir wieder auf Hyperantrieb gehen, und dann geht die Hatz wieder los.«
»Aber was wird aus uns?« Blink … Blink … Blink … Hat das winterliche Exil ihn in den Wahnsinn getrieben?
»Wir durchlaufen die Randgebiete eines schwer verzerrten Stücks Weltall. Die Massenkonzentration verformt hier den Raum. Wenn der Stern noch mehr an Dichte zunimmt, könnte sich sogar das Licht nicht mehr befreien. In solch extreme Bedingungen kommen wir zwar nicht, aber ich rechne nicht damit, dass sie uns bis zum Perihel orten können. Unsere Emissionen sind zu stark verteilt, und Radarwellen werden in aberwitzigen Winkeln umgelenkt. Die Merseianer können ungefähr berechnen, wo und wann wir in den flacheren Raum zurückkehren, aber bis dahin …« Flandry hatte sich abgeschnallt, während er sprach. Er stand auf und reckte sich ausgiebig, Muskel für Muskel. »Apropos Merseianer, schauen wir doch mal, was der gute alte Ydwyr macht.«
Djana nestelte an ihrem eigenen Gurtschloss. »Ich … ich begreife dich nicht, Nicky«, stammelte sie. »Was gewinnen wir? … Was gewinnst du denn mehr als Zeit? Warum hast du uns mit an Bord genommen?«
»Die Antwort auf deine erste Frage fällt ein bisschen technisch aus. Was die zweite angeht, nun, Ydwyr ist der Grund, weshalb wir überhaupt so weit gekommen sind. Ohne ihn hätten wir Raketensperrfeuer erhalten.« Flandry trat hinter ihren Sitz. »Komm, lass mich helfen.«
»He! Du schnallst mich ja gar nicht los!«
»Nein, da liegst du ganz richtig«, entgegnete er verträumt. Er beugte sich vor und drückte die Nase an die Stelle, wo ihre Kehle die Schulter traf. Der Kuss, der darauf folgte, weckte ein atemloses Schwindelgefühl, das noch nicht ganz verebbt war, als er sie nach achtern
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