Flandry 2: Höllenzirkus
können, mich noch mehr bedroht als das, was mir ohnehin bevorsteht, wenn ich Ihnen in die Hände falle. Ich schlage vor, Sie reden mit dem Qanryf, ehe Sie zu mutig werden. Und inzwischen: Ade!« Nachdem er das letzte Wort auf Anglisch gesprochen hatte, trennte Flandry die Verbindung.
Mit seiner Geschwindigkeit hatte er das Höllenkesselgebirge bereits hinter sich gelassen. Unter ihm erstreckten sich weit und trist die Nordlande: glänzendes Eis, glitzernder Schnee, Flecke, wo ein Sturm getobt hatte. Mit den Instrumenten suchte er nach einem wirklich gewaltigen Blizzard. Irgendwo musste es doch einen geben, zu dieser Jahreszeit … jawohl!
Eine Wand aus Dunkelheit türmte sich vom Boden bis hoch in den Himmel auf. Schon bevor er dort eindrang, spürte Flandry die Stöße und hörte das Kreischen von Winden in Hurrikanstärke. Nachdem er hineingeflogen war, umgaben ihn Schwärze und Chaos.
Eine Korvette würde in solch einen Sturm nicht eindringen. Außer einem Wetterschiff hatte niemand dort etwas verloren; andere konnten leicht darüber hinweg- oder ihn umfliegen. Aber ein kleines Raumboot mit einem erstklassigen Piloten – ein Pilot, der seine Karriere in Flugzeugen und im Luftkampf begonnen hatte – konnte diese Gewalten überstehen. Ortungsgeräte, die es außerhalb des Sturmes fest erfasst hätten, mussten es in den Störungen verlieren.
Flandry verlor sich in der Schlacht um sein Leben.
Eine halbe Stunde später brach er aus dem Sturm aus und schoss ins All.
Auf den Bildschirmen wälzte sich Talwin als gewaltige Kugel herum. Von den Polen ausgehend, glänzte die Weiße des Winters bis auf halbe Strecke zum Äquator; das wolkenbesetzte Blau der Meere zwischen den Eiskappen wirkte im Kontrast dazu schwarz. Flandry winkte. »Ade«, sagte er wieder, »und viel Glück.«
Anzeigegeräte warnten vor Patrouillenschiffen, die ihn schon erwarteten. Normalerweise riskiert man es nicht, so nahe an einem Planeten oder einer Sonne auf Hyperantrieb zu gehen. Die Materiedichte ist zu hoch, und es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass die Gravitation die Quantensprünge desynchronisiert. Die gegenwärtigen Umstände waren jedoch kaum normal zu nennen. Flandrys Hände tanzten über das Instrumentenbrett.
Der Übergang in den Sekundärzustand in einem derart starken Schwerefeld ließ den Rumpf klingeln. Die Bildschirme schalteten auf Überlicht-Kompensationsmodus. Talwin verschwand, und Siekh schrumpfte zwischen den Sternen zusammen. Die Luft brummte. Das Deck zitterte.
Einige Minuten später zog ein Piepen Flandrys Aufmerksamkeit auf eine Anzeige. »Tja«, sagte er, »ein Skipper hat sich entschlossen, mutig zu sein und es uns nachzutun. Auch er ist durchgekommen und hat unsere Kielwelle erfasst. Wäre es anders, würde er keinen konstanten Kurs halten. Wir sind schneller, aber ich fürchte, wir werden ihn nicht abschütteln, ehe er andere Schiffe auf unsere Spur gelockt hat, die uns einholen können.«
Djana rührte sich. Sie hatte stumm neben ihm gesessen – verloren, hatte er gedacht, als er ihr einen Gedanken hatte schenken können, während sie dem Polarsturm davongelaufen waren. Sie richtete ihr Gesicht unter der schweren Haarpracht auf ihn. »Hast du irgendeine Hoffnung?«, fragte sie tonlos.
Er rief Navigationsdaten ab. »Eine Heckjagd dauert immer lange«, sagte er, »und ich habe von einem Pulsar gehört, der nur wenig Parsec entfernt liegt. Vielleicht wird der uns helfen, den aufdringlichen Kameraden abzuschütteln.«
Sie antwortete nicht darauf, sondern blickte nur ins All zurück. Entweder wusste sie nicht, wie gefährlich ein Pulsar ist, oder es war ihr gleich.
XIX
Einst hatte eine blaue Riesensonne 50.000-mal heller gebrannt als der noch ungeborene Stern Sol. Sie lebte nur wenige Millionen Jahre lang, dann war der Wasserstoff, den ein Stern benötigt, um in der Hauptreihe zu bleiben, verbraucht. Die Sonne kollabierte. In der unvorstellbaren Wut einer Supernova verging der Riesenstern und strahlte dabei kurzzeitig so hell wie eine ganze Galaxie. Solche Energiemengen versickern nicht rasch. Weltalter lang bildeten die abgesprengten oberen Sonnenschichten einen Nebel von hauchiger Schönheit um den Kern, der weißglühend weiterleuchtete, den Großteil seiner Energie aber auf Röntgenfrequenzen abstrahlte. Irgendwann schließlich hatten sich die Gase verteilt, und aus einem Teil davon sollten neue Sonnen und Planeten entstehen. Die Kugel, die übrig blieb, schrumpfte unter ihrer
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