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Flandry 6: Schattenwelt

Flandry 6: Schattenwelt

Titel: Flandry 6: Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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nackt auf einem Bett, die Arme ausgebreitet, um die Schläuche aufzunehmen, die in seine Adern führten. Brust und Bauchraum waren geöffnet, um den Geräten Zugang zu gewähren, von denen die meisten seiner Zellen am Leben erhalten wurden. Mit Augen, die sich nie bewegten oder blinzelten, starrte er an die Decke. Aus seinem Mund lief Sabber. Klick, Tschugg, machte es im Hintergrund. Klick, Tschugg.
    Flandry gab einen Laut von sich. Mijatovic nahm ihn bei der Hand.
    Nach einer Weile sagte Flandry: »Danke. Abschalten.«
     
    Sie bahrten Kossara Vymezal in einem Kühlgewölbe auf, bis die Imperiumsschiffe aufgebrochen waren. Der Gospodar hatte den Befehl dazu gegeben, und seine Untertanen nahmen an, der Grund dafür sei, dass sie Dennitza gehöre und niemandem sonst, und sie sagten, er mache es richtig. So viele, wie nur konnten, würden an ihrer Beerdigung teilnehmen.
    Am Tag vorher wurde sie in die Kathedrale des heiligen Klemens gebracht, doch niemand außer den engen Angehörigen ließ man in ihre Nähe. Nur die vier Mann ihrer Ehrenwache waren zugegen, als Dominic Flandry sie aufsuchte.
    An den Ecken ihrer Bahre standen sie in der Uniform der Narodna Vojska, die Köpfe gesenkt, die Gewehre verkehrt herum präsentiert. Flandry schenkte ihnen nicht mehr Beachtung als den Kerzen, die in hohen Leuchtern brannten, den Lilien, Rosen, Vijenatz überall dazwischen, ihrem Duft oder dem Hauch Weihrauch oder dem aus der Ferne herbeidringenden Gesang eines Priesters hinter der Ikonostase, die die kühle Luft im düsteren Gewölbe füllten. Allein ging er über die Steine zu ihr. Abendliches Sonnenlicht fiel durch die Fenster, traf auf Säulen, gelangte an das Kuppeldach und schälte dort hoch oben in Blau und Gold die Zwölf Apostel und den Herrn Jesus Christus aus dem Dunkel.
    Zuerst hatte er Angst hinzusehen, fürchtete weniger die klaffende Schrecklichkeit, die er zuletzt gesehen hatte – es war nur die Wirkung eines gewaltsamen Todes –, als vielmehr die Art geschminkter Puppe, die man auf Terra aus den Toten machte. Er überwand sich und sah, dass man sie nur gereinigt und ihr die Augen geschlossen, das Kinn hochgebunden, ein Kleid angezogen und sie bekränzt hatte. Der geteilte Sargdeckel zeigte sie bis zum Brustansatz; das Gesicht, das er sah, war ihr Gesicht, ihres, auch wenn die Farbe verschwunden war und die Zeit es zu einer übermenschlichen Ruhe entspannt hatte.
    Das stimmt mich ein wenig froher, Liebes, dachte er. Ich hielt es für unpassend, dass sie dir ein riesiges Grabmal auf dem Gründerhügel errichten wollen. Ich wollte, dass deine Asche über Land und See verstreut wird, in die Sonne und den Wind. Wenn ich dann je zurückkommen sollte, könnte ich träumen, dass alles Helle von dir komme. Doch es weiß, was es tut, dein Volk. Er zog einen Mundwinkel nach oben. Ich bin hier der sentimentale alte Narr. Würdest du lachen, wenn du es wissen könntest?
    Er beugte sich näher. Du hast geglaubt, du würdest es wissen, Kossara. Wenn dem so ist, willst du mir dann nicht helfen, ebenfalls zu glauben – zu glauben, dass es dich noch gibt?
    Seine einzige Antwort bestand in der Stimme des Priesters, die sich mit archaischen Worten hob und senkte. Flandry nickte. Mehr hatte er nicht erwartet. Er konnte nicht anders, er musste ihr sagen: Es tut mir leid, Liebling.
    Und ich werde nicht küssen, was übrig ist, denn ich habe dich geküsst. In all den Sprachen, die er kannte, suchte er nach dem besten Wort. Sayonara. Weil es so sein muss. Er trat einen Schritt zurück, verbeugte sich dreimal sehr tief, wandte sich um und ging davon.
     
    Bodin Mijatovic und seine Frau warteten draußen auf ihn. Das Wetter war milder als sonst, als ob das Gespenst des Frühlings flüchtend vor dem Winter davoneilte. Auf der Straße wimmelte der Verkehr. Passanten warfen Blicke auf die drei Personen am oberen Ende der Treppe, sprachen ein Wort zu ihren Begleitern, aber blieben nicht stehen; auf Dennitza lehrte man gutes Benehmen.
    Draga Mijatovic nahm Flandry beim Arm. »Sind Sie wohlauf, Dominic?«, fragte sie besorgt. »Sie sind so blass.«
    »Doch, mir geht es gut«, sagte er. »Ich erhole mich schnell, dank Ihrer Freundlichkeit.«
    »Sie sollten sich ausruhen. Ich habe bemerkt, wie Sie Stunde für Stunde über diesem Bericht brüten …« Sie sah sein Gesicht und verstummte.
    In der nächsten Sekunde hatte er die Lippen entspannt, die Fäuste geöffnet, und rief sich in Erinnerung, woher er gerade kam, um jene andere Erinnerung

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