Flandry 6: Schattenwelt
gehört auch, es wissen zu wollen – dich kennenzulernen. Du hast viele Frauen gehabt, nicht wahr? Ich fürchte, es ist kein Geheimnis übrig, das ich dir bieten könnte.«
»Ganz im Gegenteil«, entgegnete er, »du hütest das Größte von allen. Wie ist es, wirklich Mann und Ehe frau zu sein? Ich glaube, du wirst mir mehr darüber beibringen, als ich dich anderes lehren kann.«
Sie schwieg, bis sie die schüchternen Worte fand: »Warum hast du nie geheiratet, Dominic?«
»Ich bin nie einer begegnet, ohne die ich nicht glücklich sein konnte – so weit ein imperialer Terraner eben glücklich sein kann.«
»Keiner? Aus einer Auswahl von Hunderten?«
»Du übertreibst … Nun, einmal, vor vielen Jahren. Aber sie gehörte einem anderen Mann und ging mit ihm, als er aus dem Imperium fliehen musste. Ich kann nur hoffen, dass sie eine gute Heimat auf irgendeinem Stern gefunden haben, der zu weit entfernt ist, um von hier sichtbar zu sein.«
»Und du hast dich seither nach ihr gesehnt?«
»Nein, das kann man nicht sagen, nicht in irgendeinem romantischen Sinne, auch wenn du ihr sehr ähnlich bist.« Flandry zögerte. »Vorher hatte ich eine andere Frau wütend auf mich gemacht. Sie besaß eine besondere psionische Fähigkeit, keine Telepathie, aber … alles neigte dazu, so zu kommen, wie sie es wünschte. Sie wünschte mir, dass ich die Frau nie bekommen sollte, die ich von Herzen wollte. Ich bin nicht abergläubisch, gebe nicht mehr auf Flüche und Spuk als auf das Wohlwollen von Regierungen. Dennoch, ein unbewusster Drang … Pah! Wenn es so etwas wirklich gäbe, was ich absolut nicht glaube, dann hast du den Fluch von mir genommen, Kossara, und ich weigere mich, dieses morbide Thema weiter zu verfolgen, während ich lieber davon plappern sollte, wie wunderschön du bist.«
Auf dem Höhepunkt der Eiszeit hatte ein Kolter aus Frost eine Lücke im Ringwall des Kazans geöffnet. Durch Schmelze erzeugt, hatte die Ljubisha ihn später zu einer Schlucht erweitert. Die Verwitterung des meist weichen Kratermaterials verringerte die Höhe und stumpfte die Kanten ab. Flandry fand ihren dritten Lagerplatz bezaubernd.
Er kauerte auf einem schmalen Strand. Vor ihm floss der breite braune Strom, still bis auf die Stellen, an denen er über eine Sandbank vor dem Ufer oder einen Felsen gluckste. Auf der anderen Seite, und hinter Flandry, erhob sich die Steilwand. Enge Talmulden durchbrachen sie, und Bäche sprudelten aus ihnen hervor. Ockerfarbene, bewachsene Felslippen krönten ihren oberen Rand. Das gleiche tief blaugrüne und pflaumenfarbene Blattwerk bedeckte die unteren Hänge; es entspross Bäumen, die höher wachsen konnten, als die Taiga es zuließ. Hier und dort trat Gestein zutage und schuf Platz für Wildblumenwiesen. Eine milde Brise, die nach Wachstum und Erdreich roch, zog durch die Wälder, bis Licht und Schatten tanzten. Dieses Licht fiel schräg von einer Sonne ein, die um ein Drittel heller schien als Sol auf Terra, aber eher feurig als grell, und sie lockte unendlich viele Farbtöne hervor.
Auf Zweigen saßen trillernde Guslars, andere Flügelwesen flogen zu Hunderten hoch in der Luft. Eine Herde Yelens, geführt von einem Bullen mit wunderbaren Hörnern, zog am anderen Ufer vorüber. Ein Riba, aus dem Fluss geangelt, zischte in Flandrys Pfanne, während ein Haufen aus Wolkenäpfeln darauf wartete, Dessert zu werden – in dieser Mahlzeit gab es keine vorhersehbaren Feldrationen. Er machte eine Gebärde. »Wie gut ein Planet sich hält, wenn man ihn sich selbst überlässt«, bemerkte er.
»Die Natur konnte sich für Forschung und Entwicklung aber auch ein paar Milliarden Jahre Zeit lassen«, entgegnete Kossara. »Wir Sterblichen haben es immer eilig.«
Er sah sie scharf an. »Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.
»N-nein. Du hast nur einen Gedanken ausgesprochen, der mir auch schon gekommen war – sicher ein Zufall.« Er entspannte sich, warf einige Stecken ins Feuer und wendete den Fisch. »Ich bin erstaunt, dass diese Gegend nicht schon völlig überlaufen ist. Solche Zurückhaltung erscheint mir geradezu übermenschlich.«
»Nun, der Dolyina gehört den Vymezals schon seit langer Zeit, und ohne den Besuch zu verbieten, haben wir ihn auch nie ermutigt. Du hast gesehen, dass es keinerlei Annehmlichkeiten gibt, und wir verbieten Fahrzeuge aller Art. Außerdem ist er weniger gut zu erreichen als andere Wildnisgebiete – allerdings werden die meisten davon auch noch genauer kontrolliert.«
Kossara
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