Flandry 7: Am Ende des Weges
weiß«, sagte er. »Willst du mir von ihr erzählen?«
»Wie soll das gehen?«, seufzte sie. »Es gibt zu vieles. Wo kann ich beginnen?«
»Wo immer du möchtest. Erinnere dich, ich verfüge mittlerweile über einen beträchtlichen Hort an sogenannten objektiven Tatsachen, an die ich mich halten kann. Du hast mich weitgehend in die Biologie eingeführt …«
Obwohl die prozentuale Zusammensetzung der ramnuanischen Atmosphäre derjenigen Terras ähnelt, unterscheiden sich die relativen Mengen der Nebenbestandteile. Vor allem finden wir wegen des Drucks und der Temperatur fast überall weniger Wasser, wegen der regelmäßigen, gewaltigen Gewitterblitze mehr Stickstoffoxide, wegen des Vulkanismus mehr Kohlendioxid, Schwefelwasserstoff und Schwefeloxide. Diese Gase wären es allerdings nicht, die uns töteten, atmeten wir die Luft direkt ein; sie würden sie nur beißend und übelriechend machen. Sterben würden wir recht schnell am Sauerstoff und Stickstoff. Zwar sind sie nicht in Konzentrationen vorhanden, die während einer begrenzten Zeitspanne unverträglich wären, aber unter sieben g Schwerkraft presste sie uns ihr Druck schneller in die Lungen und die Blutbahn, als wir aushalten könnten. Diese Gravitation verwehrt uns ferner, unsere an heimatliche Verhältnisse angepassten Basen lange zu verlassen. Unser Herz-Kreislauf-System ist nicht dafür gebaut. Gravanol und enge Raumanzüge mindern die Belastung zwar, aber dennoch wird sie rasch zu groß.
Ebenso erinnert ramnuanisches Leben in vielerlei Hinsicht an uns. Es beruht auf Proteinen in wässriger Lösung, Kohlehydraten, Fetten und dem Übrigen. Die chemischen Einzelheiten weichen weit ab. Zum Beispiel stimmen die Aminosäuren nicht ausnahmslos überein; da durch das Wetter Nitrate häufig vorkommen, sind Stickstoff fixierende Mikroorganismen, auch wenn sie vorkommen – ähnlich Terras anaeroben Bakterien –, archaische Formen von eher geringer ökologischer Bedeutung, und so weiter und so fort. Grob gesagt ist die Evolution dennoch einem ähnlichen Kurs gefolgt wie bei uns. Auch auf Ramnu hat sie ein Pflanzen- und ein Tierreich gebildet.
Das essentielle zweitrangige Element ist der Schwefel. Dank des Vulkanismus kommt er in der Umwelt so häufig vor, dass die Biochemie ihn in ähnlicher Weise vereinnahmt hat wie die terranische den Phosphor. Auf Ramnu ist Schwefel für verschiedene Funktionen unerlässlich, die Fortpflanzung eingeschlossen. Die Pflanzen nehmen ihn gewöhnlich in Form von Sulfaten auf, von Tieren mit dem Gewebe, das sie fressen. Mangelt es in einem Gebiet an diesem Element, kommt das Leben nur spärlich vor. Waldbrände wirken lebensverbreitend, indem sie sulfatreiche Asche erzeugen, die von der dichten Atmosphäre weit verteilt wird. Am wesentlichsten tragen hierbei gewisse Mikroben bei, die Schwefel in elementarer Form metabolisieren.
Wo frischer Schwefel reich vorkommt, etwa rings um einen aktiven Vulkan, vermehren sich diese Organismen, bis sie allein durch ihre Vielzahl sichtbar werden, als gelber Rauch in der Luft, als Farbton im Wasser. Sterbend reichern sie den Erdboden an. So wirkt die Goldene Flut, deren Kommen dem Land Fruchtbarkeit bringt und deren Schwinden Hunger verursacht, bis die Populationen hinreichend geschrumpft sind. Auch die Einheimischen transportieren Schwefel, wenngleich in geringerem Umfang; der Verlauf ihrer Geschichte wird vom Schwefelhandel noch stärker geprägt, als der Salzhandel den der Menschheit bestimmt hat.
Aufgrund des Sauerstoffpartialdrucks und der Häufigkeit von Gewittern entzünden sich Feuer leicht und brennen heftig. Außerhalb der Feuchtgebiete existiert etwas wie ein Schlusswald nur selten; der Forst brennt schlichtweg zu häufig nieder. Die Pflanzenwelt hat sich an die Umstände angepasst, über tief liegende Wurzeln oder Zwiebeln, rasche Neuaussaat und Ähnliches. Gewiss am augenfälligsten ist die Lösung der riesigen, vielfältigen Pflanzenfamilie, die wir die Pyrasphalen nennen: Sie synthetisieren eine Siliziumverbindung, die sie unbrennbar macht.
Die Pyrasphalen bilden zahlreiche Analoga zu den Gräsern Terras oder den Yerbs von Hermes aus. Sie sind verhältnismäßig spät aufgetreten, und dennoch haben sie den größeren Teil der meisten Landmassen übernommen und sich zu einer verblüffenden Artenvielfalt verzweigt. Viele weisen eine oberflächliche Ähnlichkeit zu dieser oder jener Grasspezies auf. Ihr Auftreten trug zweifellos die Schuld an einer Periode des massiven
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