Flandry 8: Agentin des Imperiums
zuckte nach vorn. Es war aus Tigery-Stahl mit schwerem Rücken, geriffelten Flachseiten und einer so scharfen Schneide, dass sie ein fallendes Haar zu zertrennen vermochte. Plötzlich schoss rotes Blut aus der Hemdbrust des Pistoleros. Er heulte auf. Diana stieß ihn gegen den Knüppelschwinger. Beide stürzten sie zu Boden. Diana trat dem Knüppelschwinger auf den Adamsapfel und hörte ein Knacken, während sie schon den Messerhelden angriff. Er stach nicht ungeschickt nach ihr, doch sie parierte, strich ihm mit der Reibfläche durchs Gesicht und trennte den Messerarm an der Innenseite vom Ellbogen bis zum Handgelenk auf, woraufhin der Messerheld augenblicklich allein darauf bedacht war, die Blutung zu stillen. Auf diese Entfernung konnte der Bolakünstler sein Handwerk nur schlecht ausüben. Diana schnitt die Schnur einer Kugel durch, die auf sie zuzuckte, wich den Übrigen aus und jagte den Kerl ein paar Meter, ehe sie ihn entkommen ließ.
»Kommen Sie, weiter«, sagte sie durch die Schreie zu ihren Füßen, »schnell weg, ehe die Bullen kommen.«
»Hie-jao!«, keuchte Shan U, während sie davonrannten. »Ich dachte, ich wüsste, wie man Schwierigkeiten bewältigt, aber Sie …«
»Oh, ich lege es nie auf einen Kampf an«, sagte Diana. »Ich hasse Kämpfe sogar. Ich hätte versucht, uns an diesen Klongs vorbeizuschwatzen oder zu bluffen. Aber sie wollten nicht zuhören. Nun, ich bin auf Imhotep unter Tigerys aufgewachsen, und wenn Tigerys sich einer Gefahr gegenübersehen, dann fackeln sie nicht lange.«
Targovi, ich habe von dir gelernt. Schmerz traf sie. Was war dein Schicksal, Bruder?
»Glauben Sie, die Verletzten überleben?«
»Ich habe versucht, niemandem eine tödliche Wunde zuzufügen, aber für Heikelkeiten war keine Zeit, oder? Ist das wichtig?«
Unter der äußeren Ungerührtheit empfand sie einen dumpfen, aber stärker werdenden Schock. So etwas hatte sie noch nie getan – nein, eigentlich nicht –, obwohl Targovi viel mit ihr geübt hatte; sie war hin und wieder dabei gewesen, wenn eine Auseinandersetzung unter Tigerys blutig wurde, und sie war drei oder vier Mal physisch sehr nachdrücklich geworden, wenn männliche Menschen die falsche Vorstellung von ihr bekamen und sich anders nicht vom Gegenteil überzeugen lassen wollten. Wahrscheinlich werde ich eine Weile ganz schön zittern, dachte sie, bis das Adrenalin wieder abgebaut ist. Aber das dauert hoffentlich nicht lange. Ich darf mir von dem, was ich durchgemacht und was ich gesehen habe, nicht zusetzen lassen. Nichts ist geschehen außer Gerechtigkeit. Der Krieg … nun, im Krieg ist es anders, wo jemand andere tötet, gegen die er nichts hat und die er nie kannte. Obwohl … in der Vergangenheit sind einige Kriege trotzdem das kleinere Übel gewesen, oder?
Ich weiß es nicht, sagte sie sich mit zunehmender Müdigkeit. Ich weiß es einfach nicht. Wie schön es sein wird, einfach mit Axor friedlich den Fluss hinunterzufahren; ich hoffe, das klappt.
Sie verlor ihr Zeitgefühl und war ein wenig erstaunt, als sie das Ufer erreichten. Lagerhäuser erhoben sich wuchtig hinter Kais, an denen ein Gewirr von Fahrzeugen vertäut lag und auf denen ein Durcheinander von Personen, Menschen wie Nichtmenschen, umherwimmelte. Zwischen ihnen huschten Maschinen hindurch. Dahinter zog der Fluss breit und braun dahin. Der Blick aufs andere Ufer des Königswegs wurde von einem dichter werdenden Regen vernebelt. Shan U war eine felide Abneigung gegen die Feuchtigkeit anzumerken, doch Diana hieß den warmen Guss willkommen. Sie fühlte sich dadurch gereinigt.
Sie erreichten die Wasserblüte. Das Flussboot war gewiss einhundert Meter lang, aber so breit, dass es nicht sofort ins Auge fiel. Vier Ladekräne und zwei dreistöckige Deckshäuser nahmen auf seiner Fläche nicht viel Raum ein. Der niedrige Freibord war schreiend mit roten und goldenen Streifen bemalt; die Aufbauten waren weiß mit Messingkanten. Der Schiffer hatte gesagt, das Boot bestehe aus terranischen und cynthianischen Hölzern, die von auf Daidalos heimischen Organismen nicht angegriffen wurden, und werde von einem Elektromotor angetrieben. Sollte das Boot seine Speicher nicht anders aufladen können, besaß es einen Dampfgenerator, der als Brennstoff fast alles verwertete.
Ein halbes Dutzend Cynthianer und zwei Menschen waren an Deck und rollten fröhlich einen Käfig aus dem Regen. »Ay-ah, dort sehen Sie Wo Lia, die Künstlerin.« Shan U deutete auf sie. »Kommen Sie an Bord und lernen Sie
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