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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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zu sein. Nun sprach er über die Villa, beinahe so, als wäre es ein verwunschener Ort. Seltsam daran war, dass genau dieses Gefühl Sandra schon die ganze Zeit beschlichen hatte.
    »Wie hat er Sie verändert?«, fragte er vorsichtig, neugierig.
    »Die Weite, diese zeitlose Schönheit, es hat mich sofort aufgesogen, von der ersten Sekunde an. Mein Blick auf meine Umgebung, auf mich, auf mein Leben, alles hat sich geändert.«
    »Das ist einer der Gründe, weshalb ich immer wieder hierherkomme.« Langsam entstand zwischen den beiden Nähe, sie verstanden einander. Normalerweise ließ Sandra einen Patienten nie so nah an sich heran. Das war eine alte Regel. So was konnte schnell ein böses Ende nehmen. Aber hier in diesem Haus, am Bett dieses geheimnisvollen Mannes, war alles anders.
    Seit Jahren hatte Frieder Saalfeld nicht mehr so ein Gespräch geführt, vor allem nicht mit einer so jungen Frau.
    Die Villa veränderte auch ihn wieder. Aber das wollte er ja, nicht zuletzt deswegen war er wieder hierher zurückgekommen, weil eine große Veränderung bevorstand.
    Dass es Abend geworden war, konnte man nur der Uhrzeit entnehmen, denn das dunkle Inferno, das ganz Norditalien in Geiselhaft genommen hatte, hatte jede Spur von Tageslicht schon seit Stunden verjagt. Im Haus brannten dieselben Lichter wie am Abend zuvor, doch die Stimmung war eine komplett andere. Wenn gesprochen wurde, dann nur leise. Selbst die schwer zu entmutigende Tina wagte es nicht, ihre Musik zu spielen, zu groß war ausnahmsweise ihre Sorge, den falschen Ton zu treffen. Draußen kämpften die Naturgewalten, drinnen herrschte beinahe Totenstille. Während gestern noch die Korken geknallt hatten, ging man sich heute möglichst aus dem Weg. Die Chancen für ein weiteres rauschendes Fest standen demnach äußerst schlecht. Nicht im Traum hätte jemand daran gedacht.
    Aber eigentlich konnte man sich nicht aus dem Weg gehen. Selbst der Rückzug ins eigene Zimmer war keine wirkliche Option.
    Das hieß, sicher war es eine Möglichkeit. So hätte sich Carlo natürlich zu Anna ins Bett legen können. Aber allein der Gedanke daran verkrampfte ihm den Magen. Und er wusste, ihr würde es nicht besser gehen. Obwohl sie jahrelang das Bett miteinander geteilt hatten, schien das heute undenkbar. Die Wahrheit, dass sie ohne ihn sein wollte, war mit einer solch knallharten Endgültigkeit ans Licht geschossen, wie aus einem Vulkan, in dem es jahrzehntelang brodelte, aber dennoch keiner an einen Ausbruch glaubte. Doch dann kam es zur Eruption, die jede Hoffnung mit sich riss und für immer unter der kalten Asche begrub. Gnadenlos wurde eine neue Realität geschaffen, und man konnte froh sein, wenn man überhaupt überlebt hatte.
    Außerdem war Carlo in seinem Stolz gekränkt wie nie in seinem Leben zuvor. Was kindisch war. Aber so war es nun einmal. Gefühle waren selten das Ergebnis einer reifen Überlegung.
    Da er also weder in sein Zimmer konnte noch wollte und es jetzt nur eine Sache gab, die ihm eine klitzekleine Chance auf Seelenfrieden gab, stand er wieder mit einem scharfen Messer in der Hand vor einem Olivenholzbrett.
    Heiko saß ungewöhnlich stumm für sich alleine im Wohnzimmer, fast genau an der Stelle, an der er es die Nacht zuvor mit Anna getrieben hatte. Er konnte es immer noch nicht fassen, obwohl die Nacht mit Anna alles verändert hatte. Sandra, Tina und Lutz leisteten Carlo in der Küche Gesellschaft. Es wurde nur wenig geredet. Wenn, dann war es Lutz, der Mann, der sie alle auf der rechten Spur überholt hatte.
    »Wer hätte gedacht, dass wir den Herrn Betrüger persönlich kennenlernen! Typisch skrupelloser Manager, genau einer von den Typen, die die Welt in den Abgrund reiten. Und wir hocken in seiner Bude«, schwadronierte er begeistert.
    »Ach Lutz, hör doch auf!« Tina war genervt. »So wie’s aussieht, geht die Welt heute ganz von alleine unter. Ohne deine bösen Spekulanten. Die ham jetzt mal Feierabend. Schon mal rausgeschaut?« Tina deutete zum Fenster, und an ihren Worten gab es nichts zu rütteln. Auch ihre Stimmung tendierte eher Richtung Keller als Richtung Wolke sieben. Mehrmals schon hatte sie Sandra ein liebevolles Lächeln zugeworfen, doch die erwiderte nicht einmal das harmloseste Zeichen der Zuneigung. Tina konnte es selbst kaum glauben, aber sie fing unfreiwillig an, mehr für die schöne junge Leipzigerin zu empfinden. Bis jetzt war es ihr nie in den Sinn gekommen, eine Frau tatsächlich zu lieben. Körperlich, klar, das war

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