Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
Beziehungschaos, Saalfelds Krankheit, das Geld, all das waberte durch ihre Köpfe, ihre Gedanken und schnitt durch ihre Herzen.
Nur Elli schlief, glücklich wie selten zuvor.
Lag es an dem Glücksgefühl, das sie bei jedem Gedanken an Elia überkam? Einmal war sie kurz aufgewacht. Sie blickte auf ihre kleine Uhr. Es war noch nicht Nacht. Elli sah sich um. Während sie geborgen in diesem großen weichen Bett lag, wurde ihr endgültig bewusst, wie gern sie dieses Haus hatte, wie wohl sie sich unter seinem Dach mit seinen vielen Terrakotta-Ziegeln, mit seinen Rissen und abgebrochenen Ecken fühlte. Die Villa war ihr wohlgesinnt, dessen war sie sich sicher. Endlich ein Ort, der gut zu ihr war.
Der verführerische Duft von Risotto, er schlich sich in ihr Zimmer. Carlo schien weiterhin keine Ruhe zu finden. Sie litt mit ihm, aber sie konnte ihm nicht helfen. Sie blieb liegen und erlaubte es ihren schweren Augenlidern, sie wieder in die unendliche Zwischenwelt der Träume zu entführen.
Nur durch eine Wand getrennt, aber in einem ganz anderen Universum verloren, lag Heiko zusammengekauert auf dem Bett und fixierte ohne ersichtlichen Grund hochkonzentriert die Badezimmertür. Seine Gedanken waren woanders. Mal in Leipzig, mit Sandra im Bett, mal in der verlorenen gemeinsamen Zukunft, plötzlich wieder bei seinem Lieblingstraum mit den vielen liebeshungrigen Frauen. Seine Phantasie spielte ihm bittere Streiche. Er schwor sich, nie wieder in fremden Betten zu träumen.
Jemand war an der Tür. In der nächsten Sekunde stand Sandra im Raum.
»Ich hab Risotto für dich.«
Heiko schüttelte den Kopf.
»Komm schon, iss was!« Sandra überlegte. »Möchtest du alleine sein?«
Verdammt, war sie schön! Heiko war von ihrer Präsenz überwältigt. Aber zwischen ihnen beiden war alles zerstört. Seine Sandra gab es nicht mehr, und diese neue war zwar noch umwerfender, aber nicht mehr seine Liga. Dazu musste man kein Einstein sein, um so viel von der Welt zu verstehen. Er fragte sich, wann ihm wieder so eine hübsche Frau über den Weg laufen würde.
»Danke, ich hab keinen Hunger. Und ja, ich möchte allein sein.«
Sandra war auf diese Antwort vorbereitet. »Gut, dann stell ich’s dir hier hin. Nur für den Fall.«
Eine Minute später war es in dem Zimmer wieder so unmenschlich still wie zuvor. Nur der dampfende Teller und ein Glas Rotwein warteten vorwurfsvoll auf ihn.
Konsequent und kompromisslos, wie Heiko nun mal war, befreite er sich von der viel zu großen, verknoteten und schweren Decke und setzte sich trotzig vor den Teller. Mit einem kalten Risotto war niemandem geholfen, sagte er sich und schöpfte schon nach dem ersten Bissen wieder Hoffnung.
Auch wenn dieser Carlo seine Sandra gevögelt hatte, kochen konnte er. Heiko wurde bewusst, was er gerade gedacht hatte, und verschluckte sich sofort. Der Appetit war ihm wieder vergangen. Er schnappte sich das Glas Wein, ging kurz im Raum auf und ab, bis er sich schließlich neben die Balkontür auf den Boden setzte und über die Lektion nachdachte, die ihm das Leben ganz offensichtlich erteilen wollte.
Dieses Haus! Er verfluchte es.
In Saalfelds Zimmer hatte sich derweil jemand eingefunden, dem das Befinden des alten Mannes herzlich egal war. »Na, wie geht’s uns heute?«, fragte Lutz zynisch.
Saalfeld sah keine Veranlassung, diesem Mann, der ihm so feindlich gesinnt war, zu antworten.
Das hielt Lutz nicht auf. »Sie sind nicht mehr der Jüngste. Ein langes erfülltes Leben, Glückwunsch! Manche müssen sich viel früher verabschieden. Was meinen Sie? Wer weiß, ob ich es so weit schaffe? Is ne berechtigte Frage.« Lutz hatte einen Stuhl herangezogen und saß nun am Kopfende von Saalfelds Bett. Er war selbst überrascht über die Aggression, die dieser Mann in ihm hervorrief. All die vielen Jahre, die Lutz Informationen gesammelt und bewertet hatte, Beweise für das weltweite Netzwerk von gewissenlosen Spekulanten und geldgierigen Profiteuren. Noch nie war er seinem Feind so nah gekommen.
»Was wollen Sie?«, fragte Saalfeld trocken.
»Ich will Sie kennenlernen. Jemanden wie Sie.«
»Jemanden wie mich?«
»Hier!« Lutz hielt dem müden Saalfeld ein Foto hin. »Das ist mein Patenkind in Ruanda. Ja, ja, ich weiß, es ist pathetisch. Klingt lächerlich, Patenkind. Haben Sie eines?«
»Was soll die Frage?« Saalfeld wurde misstrauisch. Geschwächt war er, aber sein Geist war noch voll da. »Ich habe weder eigene Kinder noch fremde in Afrika. Ich spende, jährlich,
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