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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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Saalfeld kein Gramm zu viel am Körper hatte. Er sah vielmehr unterernährt aus. Was ihr Unterfangen noch gefährlicher machte, denn sein Körper verbrannte nun sehr viel Energie. Aber wie viel Kraft konnte sein schon so geschwächter Körper noch aufbringen? Elli erschrak, denn Saalfeld schien innerhalb der letzten Stunde um zehn Jahre gealtert. Immer wieder drängte sich ihr das Bild von ihrem sterbenden Vater auf. Carlo ging es genauso, das wusste sie. Sie spürte ihren Bruder.
    Wie Elli aus den Augenwinkeln sah, waren nun auch die anderen im Raum. Sie merkte, wie ihr selbst schwindelig wurde, doch sie riss sich zusammen. Ihre Hände waren von den nassen Wickeln ganz kalt geworden.
    Eben noch hatte sie sich einfühlsam und tiefgründig mit Saalfeld unterhalten, jetzt lag er beinahe leblos vor ihr. Ohne Vorwarnung.
    Von hinten fragte Heiko vorsichtig, was sie da machten? Aber er bekam keine Antwort.
    Keiner der anderen verließ den Raum. Anscheinend wollten sie sich nicht irgendwo im Haus verstecken, während ein paar Meter weiter ein Mensch um sein Leben kämpfte. Doch kämpfte Saalfeld wirklich? Elli wurde das Gefühl nicht los, dass sein Wille und mit ihm sein Geist den Raum verlassen wollten, dass Saalfeld sich seinem Schicksal ergeben wollte, er schlicht keine Lust mehr hatte, zu leben. Plötzlich verstand sie ihn. Alle seine Worte sah sie mit einem Mal in einem anderen Licht. Elli schüttelte den Kopf. Das konnte, das durfte sie nicht zulassen. »Wir müssen doch irgendwas tun können?«, sagte Anna hinter ihr. Die Frau, die sich in der harten Männerwelt des internationalen Big Business durchsetzte, weil sie alle Gesetze, alle Regeln, alle Tricks kannte und beherrschte, war es nicht gewohnt, so machtlos zu sein. Sie wurde immer nervöser. »Was ist mit dem Arzt? Versuch noch mal den Arzt zu erreichen!«, sagte Anna.
    Als hätte Elli nicht genau das schon Dutzende Male versucht, auch gestern Nacht. Trotzdem reichte Elli Anna ihr Handy. Vielleicht gab es ihr das Gefühl, nicht komplett tatenlos dazustehen.
    Sofort suchte und wählte Anna die Nummer von Elia. Sie ging zum Fenster, um wenigstens die dicken Mauern zu überwinden. Als das nichts half, öffnete sie das Fenster und lehnte sich in den prasselnden Regen hinaus, das Telefon mit ihrem Oberkörper schützend. Jedoch, es war zwecklos.
    Kalte, feuchte Luft schwappte mit einer großen Welle in den Raum und machte ihn sofort noch ungemütlicher. Allerdings konnte sie vielleicht helfen, Saalfelds Körpertemperatur zu senken. Elli stupste Sandra an. »Das Fenster?«
    »Wie? Ach, ja. Gut, lasst es noch kurz offen. Wir müssen ihn unbedingt stabilisieren.«
    Lutz stolperte herein. Wie das olympische Feuer hielt er ein altes Fieberthermometer in der Hand. »Im Wohnzimmer, in einer der Schubladen.«
    Ohne ihn anzusehen, riss Sandra es ihm aus der Hand und schüttelte es kräftig. »Gut.«
    Sandra kniff ihre Augen zusammen und las das Messergebnis. »Vierzig Grad! Mist!«
    Carlos rannte los, um frisches Eis zu holen.
    Heiko trat ans Fenster. Bei Sonnenschein wäre der Ausblick garantiert atemberaubend gewesen. Doch das, was sich ihm jetzt darbot, erinnerte ihn an eine Szene aus Herr der Ringe, in der die beiden kleinen Hobbits, verfolgt von todbringenden Reitern, in einem ölig schwarzen Wald stehen, durchtränkt von erbittertem Regen. »Das ist die Hölle, die pure Hölle«, sagte er nur zu sich.
    Tina wollte eigentlich wieder gehen, konnte aber nicht. Sie konnte jetzt nicht allein sein. Sie hatte Angst und sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Schon wieder war sie durchgedreht. Sie hatte geglaubt, dass sie diese beschämenden Ausbrüche endlich hinter sich hatte. Sie war so stolz gewesen, dass sie endlich eine Stufe weiter war, dass diese schrecklichen Aggressionen, die sie manchmal so plötzlich befallen konnten, kein Teil mehr von ihr waren. Was half denn all ihr Yoga, ihre Selbsterfahrungstrips, ihre eigene kritische Psychoanalyse, mentale Spiegelung, wenn sie am Ende doch immer da landete, womit sie schon als Teenager ihr ganzes Umfeld auf das Übelste verletzt hatte? Sie wollte keine Furie mehr sein. Keine ständig tickende, verhaltensgestörte Zeitbombe. Sie wünschte sich so sehr, dass ihr unbekümmertes Selbstbewusstsein, das sie nach außen vor sich hertrug, wahr würde. Und sie betete, dass dieser Mann nicht unter ihrer Obhut starb. Schon nahm ihr Puls wieder an Fahrt zu, pumpte Blut durch ihren Körper, der nicht wusste, wohin damit. Sie war kurz

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