Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
»Würde gut zu dem Betrüger-Neffen passen. Besser als zu dem Mann da oben jedenfalls.« Er deutete zur Decke.
»Der übrigens krank ist!« Sandra war sauer. Sie entwickelte eine regelrechte Wut auf Heiko. »Könnt ihr endlich mal mit dem Geld aufhören! Das ist doch völlig zweitrangig.«
Auch wenn Anna keine Ansprüche mehr auf Carlo anmelden wollte, strafte sie Sandra, die sich von Anfang an an ihren Carlo rangeschmissen hatte, mit einem bösen Blick. »Die Sache totzuschweigen, davon wird er auch nicht gesund«, sagte sie eiskalt.
Selbst Tina zuckte kurz zusammen.
Mürrisch nahm nun auch Carlo Platz und stocherte in einem Joghurt herum. »Was haben wir mit seinem Geld zu schaffen? Des hat mir immer noch keiner erklärt?«
Anna wollte etwas sagen, doch sie vermied es, Carlo direkt anzusprechen.
»Es ist nun mal da. Von uns wird eine moralische Entscheidung verlangt, und die haben wir zu treffen, ob wir wollen oder nicht.« Genauso sah es Lutz und nicht anders. Er fand wieder zu seiner Form zurück.
»Moral, ha!« Bitter lachte Heiko in sich hinein.
Ausgerechnet Tina stimmte ihm zu. »Schwing dir mal nich zu so nem Apostel auf, Lutz, ja!« Auch zwischen ihnen beiden hatte sich Spannung aufgebaut. »Wir sind hier alle keine Engel. Ich will auch gar keiner sein. Ich brauch keine Moral.« Es war interessant, wann Tina reines Hochdeutsch sprach und wann sie lässig ihre Berliner Schnauze reinschlampte.
Sandra fühlte sich angegriffen. Tina wurde ihr langsam unsympathisch. »Das nehm ich dir nicht ab. Es geht sehr wohl um Moral! Und um Menschlichkeit.«
Wieder bezog Anna Stellung. »Sieh an, Tina, so einfach ist das? Bitte sehr! Angenommen, wir teilen das Geld untereinander auf?«
Während anderntags Heiko die treibende Kraft hinter dieser Diskussion gewesen war, verhielt er sich heute erstaunlich ruhig, um nicht zu sagen gleichgültig. Dafür war Lutz umso mehr bei der Sache. »Den Dieb bestehlen? Moralisch sehe ich da kein Problem.«
»Es geht jetzt aber nicht nur um Moral«, sagte Anna.
Tina nickte zustimmend. »Eben!«
Heiko versuchte Anna zu folgen. »Du meinst, die Frage ist: Würde er uns anzeigen? Würde er uns beschuldigen, Geld gestohlen zu haben, das es offiziell gar nicht gibt?«
»Hört auf! Hört endlich auf!« Sandra verlor die Beherrschung.
Im gleichen Moment fing es wieder an zu donnern.
Carlo erhob sich, als hätte er etwas zu verkünden. Was würde er sagen? Sandra in Schutz nehmen oder doch Anna? Er schickte einen enttäuschten Blick in Annas Richtung. Dann legte er kurz seine Hand auf Sandras Schulter, wie um sie zu beruhigen, und ging schließlich kopfschüttelnd zum Fenster. »Ich glaub das nicht. Ich glaub das alles nicht.«
Völlig ungerührt fuhr Anna fort. »Es wäre trotzdem Diebstahl. Das sollte jedem bewusst sein. Ob wir allerdings dafür juristisch zur Rechenschaft gezogen würden, das bezweifle ich.«
»Sind wir nicht schon den ersten Schritt gegangen? Mit den ersten Tausendern? Vorgestern?«, fragte Heiko ruhig.
»Ha! War doch deine Idee!«, erboste sich Tina.
Dann machte Carlo etwas, womit keiner von ihnen gerechnet hatte. Wütend trat er an den Tisch, griff in seine Hose und knallte ein großes Bündel Hunderter mitten auf die Holzplatte, zwischen Krümel, Tassen und Brotkorb. »Da habt ihr euer Geld. Macht, was ihr wollt, ich hab damit nix, überhaupt nix zu tun!« Ohne die Reaktion der anderen abzuwarten, verließ er die Küche.
Alle starrten auf die Scheine, die vor ihnen lagen. Über Geld zu reden war das eine, es vor sich zu sehen etwas ganz anderes, ob man nun genug davon hatte oder nicht.
»Tja.« Lutz fand als Erster die Sprache wieder. »So ne Überreaktion, das hilft uns auch nicht wirklich weiter.«
Für seine Aktion liebte Sandra den Münchner noch mehr. Er war anscheinend der Einzige, der sie verstand. Dann, Carlo hatte ihr Kraft gegeben, sagte sie, wieder ganz ruhig: »Ihr sucht doch alle nur nach einer Ausrede. Wie peinlich.« Sie stand auch auf, um nach Carlo zu sehen.
Selbst Anna fühlte sich kurz ertappt, denn insgeheim hatte sich tatsächlich von dem Gedanken verführen lassen, diesen unsäglichen Urlaub mit einer Viertelmillion Euro zu beenden. Natürlich würde das auch ihr Leben um einiges leichter machen.
Als könnte Tina Annas Gedanken lesen, sagte sie: »Machen wa uns nix vor. Sandra hat zwar recht, aber so viel Geld ist sehr verführerisch.«
»Du meinst, es macht bestechlich«, korrigierte sie Lutz schulmeisterhaft.
»Nenn es, wie
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