Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
ja wohl nicht von alleine verschwinden? Oder? Wir haben es doch zusammen im Wohnzimmer, also ich, wie kann denn, geklaut, das müsste ja dann jemand von uns, wenn es wirklich weg ist, dann, dann … also das kann doch nicht sein!«
Er stand in der Küche und hatte gerade von Carlo erfahren müssen, was er weder glauben konnte noch wollte. »Wie soll es denn verschwunden sein? Sind da etwa Wanderameisen eingefallen und haben sich etwas Taschengeld für die Weiterreise organisiert? Ja?«
Aber er bekam keine Antwort. Weder von Carlo, der statt eines Kaffees mal ein Wasser trank, noch von Heiko, der in einem italienischen Kochbuch oder Reiseführer herumblätterte, ohne wirklich darin zu lesen. Er war mit sich beschäftigt. Saalfelds hilfloser Kampf ging ihm näher, als er zugab. Vor allem führte es ihm eines knallhart vor Augen: Der Mensch ist klein und machtlos, und sein größter Feind ist die Zeit. Für das Leben gab es keine Generalprobe. Es war ständig Premiere. Irgendwie hatte Heiko immer gedacht, er wäre noch in einer Art Vorbereitungsphase. Er war nur mit seiner Zukunft beschäftigt gewesen, den Blick nach vorne gerichtet, auf die Jahre, wenn es dann richtig losgehen würde. Erst jetzt kapierte er, dass schon so verdammt viel an ihm vorbeigeflogen war. Jetzt, da er Sandra verloren hatte, da ein fremder alter Mann drohte vor seinen Augen zu sterben. Jetzt erst wurde ihm klar, wie knallhart, wie gnadenlos das Leben zuschlagen konnte und nach Lust und Laune Träume platzen ließ.
Lutz stand immer noch ebenso fassungslos wie verloren im Raum.
»Wir kommen hier alle noch in Teufels Küche, das ist euch doch wohl klar?« Lutz ruderte mit den Armen in der Luft herum, was umso absurder wirkte, weil die anderen beiden sich stoisch ihren Gedanken hingaben.
Lutz konnte sich nicht beruhigen. »Verdammt! Geld finden ist eine Sache. Aber Geld klauen von einem alten Mann, der im Sterben liegt? Das ist ein ganz anderes Kaliber.« Er war jetzt kurz davor, einen der beiden zu packen und wach zu schütteln. »Unter uns ist ein eiskalter, ein mieser Dieb! Versteht ihr? Das können wir doch nicht zulassen!« Er schien endgültig seinen ohnehin geringen Glauben an die Welt und die Menschen zu verlieren. »Heiko!« Jetzt packte er ihn wirklich an den Schultern und schüttelte ihn. »Das kann man doch nicht, das darf man nicht verdrängen!«
Heiko blieb völlig passiv, wie eine Puppe.
Stattdessen meldete sich Carlo: »Sag a mal, was stört dich mehr, dass es einer von uns war oder dass es weg ist?«
»Was soll das heißen?«
»Das Geld ist und bleibt belanglos.«
»Ah, belanglos? Na dann wartet mal ab, wie belanglos es sein wird, wenn wir den offiziellen, mafiaverseuchten Stellen hier den Tod von Saalfeld bekanntgeben müssen und die von dem Geld erfahren.«
»Wie sollen sie bitte davon erfahren?«
»Von Geld erfahren die immer. Da mach dir mal keine Sorgen. Seid doch nicht so verdammt naiv.«
»Vielleicht hast du es ja, das Geld?«, meldete sich Heiko zu Wort.
»Spinnst du?« Lutz konnte nicht glauben, dass nun ausgerechnet er verdächtigt wurde. Er schlug sofort zurück. »Wie wär’s denn mit dir? Klingt doch viel wahrscheinlicher! Wer wollte denn von Anfang an alles aufteilen?«
Heiko sah Lutz ernst an. »Mit dir zu teilen war sowieso Schwachsinn.«
»Eben, und deswegen haste dir einfach alles genommen, stimmt’s?«
»Eigentlich sollte ich dir jetzt eine reinhauen!«
»So antwortet nur jemand, der sich ertappt fühlt«, triumphierte Lutz.
»Weißt du was, du alternativer Loser, du kannst mich mal!«
»Wenn man euch hört! Ihr zwei …!« Carlo fand keine Worte mehr. »Mir könnt schlecht werden!«
Lutz ging auf Carlo los. »Spiel hier mal nicht den Heiligen. Das nimmt dir langsam keiner mehr ab.«
»Pass auf, was du sagst, du Gnom, du verhungerter!«
»Von dir vollgestopftem Münchner lass ich mir gar nichts sagen.«
»Freundchen! Ich warn dich!«, raunzte Carlo.
»Geld ist dir ja soooo egal! Ha! Stattdessen kochst du immer nur wie so ein gestörter Psychopath vor dich hin, ach ja, und bumst nebenbei Heikos Alte und meine gleich noch dazu. Vielleicht ist das ja alles nur Show bei dir? Machst hier auf dicke Hose und sackst alle ein. Woher wissen wir eigentlich, dass du nicht das Geld hast.«
»Ah, jetzt ist also Carlo dran! Sag mal, merkst du gar nicht, was du für einen Stuss verzapfst? Was für eine gequirlte Scheiße?« Wenn Heiko sich jetzt aufregte, so hatte das wenigstens den positiven Effekt,
Weitere Kostenlose Bücher