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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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dass er etwas von seiner Schwermut verlor.
    »Jemand hat uns beklaut. Dabei bleibt es. Das kannst du wenden, wie du willst.«
    »Uns?«, hakte Carlo misstrauisch nach.
    Schnell korrigierte sich Lutz, Carlo wisse ganz genau, wie er das meine. Aber Lutz konnte es drehen, wie er wollte, der vieldeutige Versprecher stand merkwürdig im Raum und machte den Ankläger zum Verdächtigen. Denn eines war damit klar, zumindest gedanklich hatte Lutz das Geld schon als ihres beziehungsweise seines angesehen. Ganz egal, ob der eigentliche Eigentümer zur gleichen Zeit ein Stockwerk über ihnen im Sterben lag.
    »Du bist der verlogenste Heuchler von uns allen!«, sagte Heiko.
    Sandra und Elli kamen in die Küche und wunderten sich, worüber die Männer aneinandergeraten waren.
    »Ja, ratet mal!«, sagte Carlo.
    Verärgert schimpfte Sandra, dass sie Heiko nur noch jämmerlich fände. Dass sie ihm damit unrecht tat, wusste sie nicht.
    Heiko sah keinen Sinn mehr darin, es ihr zu erklären.
    »Sie sind sehr hübsch!«
    Tina wollte nicht darauf eingehen. »Geht es Ihnen besser?«
    »Nun ja, sagen wir unter den gegebenen Umständen erstaunlich gut. Mein Tennismatch für heute Nachmittag muss ich wohl absagen. Aber zu einem guten Whiskey würde ich nicht nein sagen.«
    »Ick werd ma sehen, was sich machen lässt!« Es beeindruckte sie sehr, dass er trotz seiner Lage den Humor nicht verlor.
    »Sie kommen aus Berlin?«
    »Hundert Prozent Kreuzberg, der Herr.«
    »Was machen Sie, wenn ich fragen darf?«
    Sie wunderte sich über seine Neugierde. Wie konnte es einen todkranken alten Mann interessieren, wer sie war und was sie machte? Aber sie war froh, dass er wieder lebendiger war. »Ich hab studiert, Theaterwissenschaften. Für’n Hintern. Jetzt hab ich nen eigenen Laden. So Sachen aus Indien.«
    Saalfeld sah sie merkwürdig an. Unentwegt musterte er sie aus seinen hellwachen Augenwinkeln.
    »Ich schätze, die Räucherstäbchen gehen am besten?«
    »Gut geraten. Ja.«
    »Was für eine geniale Geschäftsidee, etwas zu verkaufen, was die Kunden dann verbrennen.«
    Erneut musste Tina lächeln. »Ja, ich hab kein Problem mit der Garantie, das stimmt.«
    »Sie waren schon mehrmals in Indien, nehme ich an?«
    Leicht verlegen fuhr sich Tina mit der Hand über die Stirn. Als würde sie mit ihrem eigenen Vater reden, so fühlte sie sich.
    »Zu meiner Schande, nein. Aber es wird bald passieren.«
    Es war absurd, eben noch hatte er lebensbedrohliches Fieber, und nun unterhielten sie sich gerade so, als säßen sie in einem Café.
    »Sie dürfen nicht so viel reden! Mann, wir haben uns ganz schön Sorgen um Sie gemacht! Dette, äh, das dürfen Sie uns nich noch mal zumuten. Und auch nicht sich selber.« Zur Abwechslung schimpfte sie ihn jetzt mit mütterlichem Unterton.
    Saalfeld schloss die Augen, nur für einen kurzen Moment, dann öffnete er sie wieder. Mehrmals musste er tief Luft holen, um seine Lungen wenigstens etwas zu füllen. An den Rändern seiner rot unterlaufenen Augen bildeten sich kleine Tränen.
    »Wieso, verdammt noch mal, machen Sie so ein Geheimnis um Ihre Krankheit?« Tina wurde wieder wütend, sie konnte spüren, wie sich in ihr erneut ein Vulkan aufstaute. Sie sprang auf und nahm die Pillendose, die Lutz auf das Nachttischchen gelegt hatte. Es war ihr egal, dass Saalfeld jetzt jede Aufregung vermeiden musste. Bedrohlich wie eine Waffe hielt sie ihm die Pillen vor die Nase.
    »Was ist das? Helfen die Ihnen? Wie viele brauchen Sie davon, wie oft?«
    Nun fand er sogar die Kraft, ihr Gesicht zu streicheln. Kurz erschrak sie, doch dann erlaubte sie seinen knochigen, zittrigen Fingern, ihre Konturen nachzuzeichnen. Zwar machte es sie nervös, aber er war nicht aufdringlich, sondern schien sie zu betrachten wie ein Bild. Wie ein Bildhauer eine fertige Statue streichelte. Er lächelte selig. »Es ist erstaunlich. Sie sehen ihr so ähnlich. Unglaublich! Dieselben Rehaugen, die Stupsnase und diese hohen Wangenknochen. Sogar der gleiche freche Mund. Ich kann es nicht fassen.«
    »Wovon reden Sie?«
    »Von meiner Claire, der einzigen Frau, die ich je geliebt habe. Es ist, als stünde sie vor mir, jetzt, hier.«
    Tina zog ihren Kopf zurück, blieb aber dennoch nah über ihn gebeugt. War es das Fieber? Fing es nun an, mit seiner Wahrnehmung zu spielen, und jubelte ihm Bilder aus der Vergangenheit unter?
    »Schon gestern, in der Küche. Aber da war es mir noch nicht ganz klar. Erst vorhin, ganz plötzlich. Am Anfang hielt ich es nur für eine

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