Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
weitergehen sollte. Eigentlich hatte er sich auf entspannte Tage nur zu dritt gefreut. Vertraute Gesichter, mediterrane Ruhe. »Aber rausschmeißen kann ich die Leute ja auch nicht. Wie auch? Haben ja alle einen Vertrag.«
Und er selbst habe sich schon längst in das Haus verliebt.
»Ja, die Villa ist ein Traum«, lobte ihn Elli.
»Halt ohne die ganzen anderen Kasperl.«
»Mit der Tina hast dich gestern Abend aber ganz gut verstanden?«
Die sei schon nett, so anders, räumte Carlo ein, aber ihr eigenartiger Freund? »Erst sagt er fast nix, und dann wird er anstrengend.«
»Ich fand’s ganz unterhaltsam, dass gestern Abend ein bisserl was los war. Is ja fast schon eine Art soziales Experiment.«
»Ach Elli, du bist auch so a Konzeptmensch. Das hier ist aber keine Architekturtheorie, sondern mein Urlaub. Ich bin ja schon froh, dass Anna Zeit hat. Bei ihrem Job! Der frisst sie noch auf. Wir sehen uns viel zu selten. Des tut uns nicht gut, verstehst?«
Elli bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie mehr wusste als ihr Bruder, aber sie konnte es ihm schlecht sagen. Das war Annas Aufgabe. Da durfte sie sich nicht einmischen.
Laut dröhnte ein Roller an ihnen vorbei. Eine für ihre vielleicht zwanzig Jahre viel zu dicke Kellnerin stellte ihnen zwei neue bauchige Porzellantassen auf den wackeligen Tisch. Im cremigen Milchschaum ruhte jeweils ein braunes Herz.
Als sie wieder allein waren, griff Carlo in die Innentasche seines Leinensakkos und zauberte stolz ein kleines Kästchen hervor. Es war eine königsblaue Samtschatulle, die Carlo feierlich hinhielt. Elli musste sie gar nicht erst öffnen, um zu wissen, was darin war. Sie warf nur einen kurzen Blick auf den blitzenden Diamantring und spürte einen Stich im Herzen. Weniger, weil ihr selbst noch nie jemand so ein Schmuckstück geschenkt hatte, vielmehr weil ihrem Bruder höchstwahrscheinlich eine bittere Enttäuschung bevorstand.
»Und? Was sagst du?«, fragte er ungeduldig.
»Wunderschön! Der ist wirklich wunderschön, Carlo.«
»Das wird sie umwerfen!«
Sollte sie ihren Bruder warnen, ihm wenigstens einen kleinen Tipp geben? Oder würde Anna doch wieder ihre Meinung ändern, sobald sie den Ring sah? Wenn ihr erst klarwürde, wie ernst es Carlo war? Wenn sie ihn nicht warnte, hätte er später allen Grund, sauer und enttäuscht zu sein.
Schon wieder ratterte ein Roller, diesmal ganz schön knapp, an ihnen vorbei. Auf der Piazza wurde es immer lebendiger. Das alltägliche Chaos schickte sich an, die Herrschaft zu übernehmen.
»Meinst du denn, es ist der richtige Zeitpunkt?«, fragte sie ihn vorsichtig.
»Sicher nicht, solange die ganzen Hanseln bei uns rumturnen.« Er tauchte einen Finger in den Milchschaum, um ihn dann genüsslich abzulutschen. »Aber denen wird bald die Puste ausgehen. Der Ossi, der reist als Erster ab, das garantier ich dir.«
Sie gab ihm den Ring zurück, und die kleine Zeitbombe wanderte wieder sorgsam in Carlos Jackett-Innentasche.
»Wusste gar nicht, dass du so an die Ehe glaubst?«, log Elli, denn natürlich war ihr Bruder bei diesem Thema ein unverbesserlicher Romantiker.
»Ganz ehrlich, Elli, ich kann mir nix Schöneres vorstellen, als mit Anna alt zu werden.« Plötzlich wurde er nachdenklich. »Auch wenn sie manchmal … irgendwie komisch is. Die letzten Wochen.«
Hat er doch eine Ahnung?, fragte sich Elli.
Aber Carlo zuckte nur mit den Schultern und war sofort wieder voller Begeisterung. »Mei, die wird schaun!«
Der italienische Wettergott meinte es wirklich gut mit ihnen. Es war schon fast unverschämt, wie die Sonne sich mit einem breiten Grinsen auch an diesem Tag zu ihrem Stammplatz aufmachte.
»Is ja fast wie im Hotel hier, wa?«, jubelte Tina laut, als sie auf die Gartenterrasse trat und von dem reichlichen Frühstücksangebot regelrecht erschlagen wurde. Mit abgeschnittener, verwaschener Jeans und einer kunterbunten, leicht durchsichtigen Bluse, die sie nur halbherzig über ihrem Bauchnabel zusammengeknotet hatte, zeigte sie ziemlich viel von ihrem beeindruckend schlanken Körper. Kein Gramm Fett. Sie strahlte eine angeborene Fitness aus. Tina war eine von den Frauen, die nie etwas für ihre Figur tun mussten und trotzdem locker als Model durchgingen. Manche nannten das Glück, andere gute Gene, Elli fand es immer schon einfach nur ungerecht. Aber so war das Leben. Sie und ihr Bruder hatten von ihren Eltern vieles mitbekommen, Liebe, Mietshäuser, Verstand und breite Schultern, aber das Schlankheits-Gen
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