Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
Dummchen und die Berliner Göre, wirbelten munter durch die Zimmer, während ihre beiden Männer, der Phlegmatiker und der Ossi-Aufsteiger, rein gar nichts im Griff hatten.
Elli wollte noch nicht aufstehen. Da war noch ein Frühstücksei, das geköpft werden wollte. Was für ein abwechslungsreicher und unterhaltsamer Morgen.
Während des restlichen Vormittags suchte sich jeder sein Plätzchen, um wenigstens so zu tun, als wäre man im Urlaub. Nur Heiko hatte sich mit seinem Angeber-Auto rasant verabschiedet, um sich auf eine Odyssee zu den nahe liegenden Hotels zu machen. Leider verpasste er so den Anblick seiner Freundin, die sich, bewaffnet mit Klatschblättern und einer Sonnenbrille, auf der das Designerlogo größer war als die Gläser selbst, im knappen Bikini im Garten räkelte.
Noch knapper bekleidet, nämlich oben ohne, saß Tina im Lotossitz am Ende der Wiese auf einer Yogamatte im hohen Gras. Daher also der perfekte Körper, dachte Elli. Von der Terrasse aus konnte man nur Tinas Rücken sehen und eine süße Blume, die sie sich ins Haar gesteckt hatte. Noch süßer war der stechende Geruch ihrer Räucherstäbchen, der quer über den Garten bis zum Haus wehte.
Ihr Freund dagegen kauerte, lichtscheu wie eine Fledermaus, mit seinem Laptop in einem kleinen Sessel in der Halle. Warum Lutz überhaupt nach Italien gefahren war, blieb Elli ein Rätsel.
Hin und wieder trug ein leichter Lufthauch ein paar Takte von Tinas Buddha-Musik herüber, die auf alles und jeden eine angenehm beruhigende Wirkung hatte.
Bis auf Anna. Sie hing ununterbrochen am Telefon und warf, halb englisch, halb deutsch, mit Begriffen um sich, die ein normaler Mensch kaum verstehen konnte. Mit einem Stapel Papieren unter dem Arm hatte sie das vom Sonnenlicht durchflutete Wohnzimmer zu ihrer neuen Kommandozentrale gemacht. Wenn das Annas Urlaub war, wie sah dann ihr Arbeitstag aus? Noch mehr Akten, noch mehr Telefone und unsinniges Deutsch-Englisch? Ehrgeiz war ja eine Tugend, aber es konnte auch eine Pest sein.
Völlig frei von dieser Krankheit war Carlo. Er hielt sich in seinem Himmelreich, der Küche, auf. Ihm war ein vergilbtes italienisches Kochbuch in die Hände gefallen, und somit hörte die Welt um ihn herum auf zu existieren.
Keiner, außer vielleicht Heiko, schien Annas Ultimatum wirklich ernst zu nehmen. Was konnte sie denn schon tun? Elli hielt es nicht für nötig, sich einzuschalten. Das sollten die drei Pärchen schön unter sich ausmachen. Zwischen Anna und Carlo stand sie bereits ausreichend in der Schusslinie. Wer wusste denn, was bei den anderen alles brodelte? Wenigstens kam keiner der anderen auf die tolle Idee, sich ihr anzuvertrauen.
Schon immer zog sie Menschen mit der Sehnsucht nach Mitleid und der Hoffnung auf gute Ratschläge an. Daran war sie gewöhnt. Jetzt aber war es für Elli höchste Zeit, auf sich selbst achtzugeben. Hier wollte sie, hier musste sie ihre Ruhe haben.
Das fehlte noch, dass ihr Heiko zum Beispiel gestand, er betrüge seine naive Freundin von hinten bis vorne. Oder Sandra bäte sie um Rat; weil sie das Gefühl habe, ihr Freund nehme sie nicht ernst. Ja, Kleines, das könnte schon sein.
Nein, Elli hatte genug am Hals und keine Energie mehr für die Probleme der anderen. Sie hielt sich raus und schaute zu.
Sie klappte ihr Skizzenbuch auf. Eine blanke, gnadenlos weiße Seite sah sie herausfordernd an. Das Buch wusste ganz genau, dass Elli sich sträflich lange vor einer Zeichnung oder zumindest einer kleinen, schnellen Skizze gedrückt hatte. An der Uni, und noch viele Jahre danach, konnte ihr keiner das Wasser reichen. Wenn sie anfing, mit ihrem Rotring-Stift auf dem Papier zu tanzen, sich von dem unbeschreiblich reinen Gefühl, die richtigen Striche zu ziehen, entführen ließ, dann war sie nicht zu stoppen gewesen. Wenn sie ihren Jazz bekam, so hatte sie es immer genannt, dann wurde ihr Stift zu ihrem Saxophon, mit dem sie die ganze Nacht durchspielen konnte. In dieser Stimmung improvisierte Elli die verrücktesten Häuser und komponierte die aufregendsten Städte. Es war ihr Solo. Dann konnte es gut passieren, dass am nächsten Morgen ein Opus vor ihr lag, zu dem andere selbst nach einer Woche harter Arbeit nicht fähig waren. Mein Gott, sie hatte so ein Talent. Und was hatte sie daraus gemacht? Sie hatte sich an Martin und seine lächerlichen, kommerziellen Bürokisten verschwendet, an seine völlig bedeutungslose, ja direkt peinliche Zweckarchitektur.
Einen Strich ziehen, das
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