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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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verbrüdert. Die drei waren mittlerweile dermaßen aufgedreht, dass man fast glaubte, auf einem Junggesellinnenabschied gelandet zu sein, mit Heiko als dem langersehnten Stripper, dem Höhepunkt des Abends.
    Nur Lutz verharrte regungslos, halb in sich gekauert, zwischen zwei Kleiderstangen. Er schien schon wieder, oder besser immer noch, auf einem ganz anderen Trip zu sein. Was für ein Alien. Heiko musste wenigstens ihm eins auswischen. »Hey die Damen, was is mit Lutz? Wollen wir ihm nicht auch ein Hemd …«
    Doch da stand Tina schon wieder vor ihm und wedelte mit einer schwarzen Jeans in Kindergröße XS, Goldnähten und einem Donald Duck mit Totenkopf.
    »Spinnst du?«, sagte Heiko.
    »Die strecht.«
    »Hör mal, ich bin dreißig und nicht zwölf.«
    »Keine Widerworte! Anziehen!«, kommandierte sie ihn herum.
    Heiko konnte es nicht fassen. Er klemmte sich wieder in die Kabine und versuchte sich tatsächlich, diesen jugendgefährdenden Kinderstrumpf überzuziehen.
    Das Publikum jubelte hysterisch, selbst Lutz, die miese Ratte. »Ehrlich, Heiko, ne Wucht!« Er genoss es jetzt ganz offen, Heiko leiden zu sehen.
    Sandra hielt den Atem an. Sie legte beide Handflächen vor ihren offenen, staunenden Mund und riss die Augen auf. Der umwerfende Kuss, den sie ihm dann gab, der hatte es in sich, den bekam man nicht alle Tage. Vor allem nicht einfach so. Diese Leidenschaft, diese Hingabe! Heiko haute es komplett um, er war völlig von den Socken. Sandra verschlang ihn, konnte nicht genug von ihm bekommen.
    »Mein Rockstar!«
    In diesen Minuten liebte Sandra ihn für seinen Humor, für seinen Einsatz, dafür, dass er ihr solch einen Spaß gönnte. Endlich, Gott sei Dank, nahm er sich mal nicht so ernst.
    Heiko war über dieses leidenschaftliche Feedback so überrascht, dass er sich überlegte, ob er den bunten Fummel nicht einfach für den Rest des Tages tragen sollte? Wenn die Belohnung noch mehr Liebe und Hingabe sein sollte, dann konnten sie ihn seinetwegen in einen geblümten Bademantel stecken, samt Badekappe. Was machte das schon aus? Hier kannte ihn sowieso keiner. Er war im Urlaub.
    Heiko machte eine lässige Drehung, pfiff durch die Zähne und schnappte sich das nächstbeste, nicht weniger dämlich gemusterte Hemd und hielt es den Damen fragend hin.
    »Das würde Tarzan auch gefallen. Was sagen Jane?«
    »Jane sagt: Das rockt Tarzan!«
    Schon trommelte sich Tarzan wild auf die Brust und zog ein Affengesicht. Der Dschungel lag ihm zu Füßen.
    Genau in dieser Sekunde machte Tina ein Foto von Tarzan. »Oh ja! Das stell ich nachher ins Internet!«
    Und Heiko gefror sein Urwaldlachen zu einer panisch verzerrten Maske. Klick.
    Es lag schon eine Weile zurück, dass Elli solch eine geballte Ladung Architektur präsentiert wurde. Ganz schwindelig war ihr geworden. Die unwillkommene Doktor-Fata-Morgana hatte sich ebenso schnell wieder in Luft aufgelöst, wie sie sich verführerisch an sie herangeschlichen hatte, und Elli konnte ihre Exkursion fortsetzen. Wie ein Blatt auf einem sanft dahinfließenden Bach ließ sie sich durch die sich verengenden Gassen tragen, die zunehmend belebter wurden. Ältere Herren in sommerlichen Anzügen, überdrehte Kinder, gefolgt von verzweifelten Müttern, Geschäftsleute mit zufriedener Miene und hier und da ein Pärchen. Elli grinste, als sie eine weiße Katze sah, die leichtfüßig gut sechs Meter über ihr auf einem bröckelnden Gesims entlangtanzte und dann in einem offenen Fenster verschwand. Aus dem schmalen Fenster hingen frisch gewaschene Unterhosen von Mann und Frau, und kleine, verwachsene Zimmerpflanzen badeten im grellen Licht.
    Vorhin hatte sie sich neben einen Brunnen auf ein paar Steinstufen gesetzt, die über Hunderte von Jahren von Abermillionen von Fußpaaren rundum abgewetzt waren, und hatte sich an ein, zwei Skizzen gewagt. Mal versuchte sie den Raum zu erfassen, den die umliegenden Fassaden bildeten, indem sie mit einem leichten Strich nur die äußeren Kanten nachzog. Ein anderes Mal widmete sie sich dem rhythmischen Spiel der Fensteröffnungen und vernachlässigte Sachen wie Volumen oder Oberflächen. Sie verstand sich bestens darin, von ein und demselben Ort Dutzende ganz unterschiedliche Zeichnungen anzufertigen.
    Selbst für sie war es jedes Mal aufs Neue erstaunlich, was es alles zu entdecken gab. Ihre Hand folgte einer seltsamen Kraft, war schneller als ihr Bewusstsein, hatte sich der lästigen, ängstlichen, verkopften Elli entledigt. Elli hatte nichts mehr zu

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