Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
hervorragend versorgt mit einer gerösteten Bruschetta, einem Glas eiskaltem Wasser und einer Latte macchiato. Konnte man mehr verlangen? Wohl kaum. Er hielt den Schlüssel zum Paradies in der Hand. Kein nervender Heiko, kein deprimierender Lutz, keine Frauen, die ständig irgendwelchen Stimmungen erlagen.
Anna wollte sich alleine in den Boutiquenjahrmarkt stürzen. Das störte Carlo überhaupt nicht, das war einfach nichts für ihn. Sie hatten es oft genug probiert. Auch wenn er noch so geduldig wartete, Anna hatte immer das Gefühl, einen Außerirdischen neben sich zu haben, der sie tausendmal lieber zur nächsten Kaffeemaschine schleppen wollte, als von ihr die zehnte Handtasche präsentiert zu bekommen. Jedes Mal sagte Carlo: »Spatzl, wenn sie dir gefällt, dann kauf sie einfach!«
Aber darum ging es Anna ja gar nicht. Sicher, es war schön, zu den wenigen zu gehören, die sich fast alles leisten konnten. Für Carlo hatte Geld schlicht keine Bedeutung. Geld war zeit seines Lebens in ausreichender Fülle vorhanden gewesen. Noch dazu brauchte er nicht viel. Das meiste gab er für Essen aus. Hin und wieder kaufte er sich ein Paar klassische, handgearbeitete Schuhe oder einen robusten Anzug zum Preis eines Monatsgehalts. Aber nur, weil er sich darin wohl fühlte und dann erst wieder im nächsten Jahr ein Modegeschäft betreten musste. Für ihn war Einkaufen verlorene Zeit, die man weitaus sinnvoller verleben konnte.
Es war nur gut, wenn Anna stöbern ging. Der Trick bestand darin, ihr möglichst viel Freiraum zu lassen. Dann konnte sie durchschnaufen und kam früher oder später immer ganz von alleine. So war das mit ihr, zwingen konnte man Anna zu gar nichts. Sie pochte auf ihre hart erkämpfte Selbständigkeit. Wenn er wollte, dass sie seinen Heiratsantrag annahm, dann war diplomatisches Feingefühl gefragt. Schließlich würde sie dann einen Teil ihrer Freiheit aufgeben. Sie würde sich für den Rest ihres Lebens in seine Arme begeben. Er wusste, dass sie sich danach sehnte, heimlich. Aber es war eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Nur deshalb hatte er so lange gewartet. Jetzt war es so weit. Carlo atmete tief durch, wie nach einem Tausend Meter-Lauf.
Ein kleiner Spatz landete sportlich auf dem runden Tisch und forderte selbstbewusst seinen Anteil vom gerösteten Weißbrot ein. Carlo bröselte ihm etwas auf die schneeweiße Tischdecke, und der Vogel flatterte ohne ein Dankeschön, aber dafür mit vollgestopftem Schnabel genauso flink wieder davon.
In dem Maße wie sich die Sonne langsam auf zu neuen Kontinenten verabschiedete, füllten sich die Gassen mit hektischen Italienern und erschöpften Urlaubern. Wobei die zweite Gruppe angenehmerweise in der Minderheit war. Brescia lag zu weit abseits der großen Touristenströme. Zum Glück. Carlo wollte sich fühlen wie einer der Ortsansässigen, nicht wie jemand, der kurz davor war, Postkarten nach Hause zu schreiben.
Er könnte hier ohne Probleme und schlechtes Gewissen jeden einzelnen Nachmittag ausklingen lassen. Tagträumend gab er sich dem verlockenden Gedanken hin, die Zelte in München abzubrechen und fortan Abend für Abend eine weiche mediterrane Brise zu genießen. Seine Häuser könnte er mit nur geringem Mehraufwand auch von hier aus verwalten. Oder er könnte jemanden in München dafür einstellen? Wieso kam er eigentlich erst jetzt darauf? Ob Anna da mitziehen würde? Carlo schloss die Augen und sah sich an einem ganz normalen Morgen in Italien aufwachen. Morgens würde er in sein Stammcafé gehen und einen Espresso schlürfen, den Tag begrüßen, mit der Zeitung unterm Arm und ein paar Unterlagen, denn seine Arbeit würde er die meiste Zeit vom Café aus erledigen. Das Leben konnte so schön sein.
Von einer Sekunde auf die andere platzte alle herrliche Träumerei wie ein zu praller Luftballon. Ohne groß zu fragen, nahm neben ihm ein Mann Platz. Es fiel ihm nicht leicht, sich zu setzen, seine viel zu enge Hose wollte es nicht zulassen. Was wollte der Typ? Die Sonne blendete, und der unverschämte Kerl stand im Gegenlicht, so dass Carlo ihn kaum ausmachen konnte. Ein kunterbunt flatterndes Hemd über einer unmöglichen Stretchhose und eine bizarr glitzernde Sonnenbrille halfen Carlo ebenfalls nicht, in dem Clown seinen neuen Lieblingsmitbewohner Heiko zu erkennen. Erst als sich gleich darauf ein zweiter Mann dazugesellte, dämmerte es Carlo, dass es mit der paradiesischen Ruhe ganz klar vorbei war.
»Na Sportsfreund!« Heiko ließ sich, ohne zu
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