Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
Frauen sehen so was! Tina is immer sexy!«
»Soso?« Heiko gefiel das Gespräch überhaupt nicht »Da wäre ich mir aber mal nicht so sicher. Nix für ungut, Liebling Kreuzberg!«
Das Schlimme war, Sandra hatte gar nicht mal so unrecht.
»Sorry, is ja nich jeder so unwiderstehlich wie unser Heiko, wa?«, hörte er Tina hinter sich feixen. Doch Heiko sah sie gerade vor sich, in einem pechschwarzen, kriminell kurzen Kleid, hochgeschlossen, am besten ohne Unterwäsche. Sie war eigentlich nicht sein Typ. Aber gerade das machte sie zu einer Herausforderung. Das konnte sehr sexy sein.
Er konnte nur noch an Sex denken. Er war völlig ausgehungert. Er musste sich endlich mal wieder mir Sandra austoben, sonst könnte das alles böse enden. Was hatte er kürzlich erst gelesen? Wer zu wenig Sex hatte, der bekam Probleme mit der Prostata. Wollte sie das etwa verantworten?
Heute war die perfekte Nacht! Erst shoppen wie noch nie, dann ein, zwei Flaschen Champagner und als Krönung vögeln, bis die Wände wackeln. Manchmal bewunderte er sich für seine guten Einfälle.
Endlich waren sie am Ortsschild von Brescia angekommen, und er fühlte sich tatsächlich wie der größte Löwe Italiens. Er hatte mehrere tausend Euro in der Tasche, Dutzende Viagras, und in ihm pulsierte ein hungriges Verlangen nach Leidenschaft wie schon lange nicht mehr. Roaarrr! Sandra durfte sich schon jetzt freuen! Am liebsten hätte er ihr einen kleinen Vorgeschmack gegeben, jetzt, hier, sofort. Aber Heiko hatte Klasse, er konnte warten. Auch wenn der Satz »Vorfreude ist die schönste Freude« der dümmste Satz war, den er je gehört hatte.
6. Kapitel
Glücklich wie ein kleines Kind vorm Weihnachtsbaum stand Elli mitten auf der Piazza della Loggia in Brescias Altstadt. Der Platz, so viel wusste sie, war in der Frührenaissance von den damaligen Herrschern – die Venezianer? – angelegt worden und wurde noch heute von einem Palast dominiert, der zu jener Zeit zwar begonnen, aber so richtig erst von Andrea Palladio, dem Großmeister der Renaissance, zusammen mit einem anderen Architekten, Sansovino oder so ähnlich, gut hundert Jahre später vollendet worden war. Damals gab es noch Zeit und Raum für großartige Architekten.
Das deutsche Rentnerpärchen, das mit tropfenden Eistüten haarscharf an Elli vorbeigeschlappt war, interessierte dies herzlich wenig. Vielmehr regte der Herr Pensionär sich darüber auf, dass hier keiner Deutsch sprach und sie deshalb den Weg zum Sammelpunkt am Busparkplatz selbst finden mussten.
Manchmal, gerade im Urlaub, dachte sich Elli, prallten wirklich Welten aufeinander. Um sie herum ein Festival der Architekturgeschichte, das durchkreuzt wurde von zwei ignoranten Rentnern in Wohlfühlschuhen und praktischen Rucksäcken. Sie selbst wollte nie so enden. Weder so blind für die Welt und das Leben noch so selbstgerecht.
Es war schon längst Nachmittag geworden, aber es war immer noch genauso heiß wie am Mittag. Sie nahm einen großen Schluck aus der Wasserflasche, die sie sich vorher gekauft hatte, und fühlte erst jetzt, wie sehr ihr ganzer Körper danach dürstete. Diese Nacht würde anders als die letzte keine Abkühlung bringen. Gut so, denn Abkühlung hatte sie 360 Tage im Jahr. Endlich kitzelte die Sonne nicht nur die oberste Hautschicht, sondern drang tief in den Körper ein, bis auf die Knochen, und gab ihnen neues Leben.
Die großen Steinblöcke der Gebäude waren von der Sonne dermaßen aufgeladen, dass man ihre Anspannung förmlich zu spüren glaubte. Sie ruhten nicht mehr gelassen, sondern vibrierten dank der vielen Energie. Noch ein Grad mehr und sie würden explodieren. Es steigerte die Intensität der spannungsvollen Szenerie, verlieh dem Palazzo und all den anderen beeindruckenden Protzbauten der alten Herrscherfamilien noch mehr Intensität, so dass es Elli fast den Atem raubte. Während die meisten, normalen, Menschen sich in rettende Schatten oder klimatisierte Räume verzogen hatten, wandelte Elli selig umher und genoss es, dass die Sonne den Großteil der Besucher zur Seite fegte. In Gedanken zeichnete sie ein Gebäudedetail nach dem anderen ab und entwarf gleichzeitig neue dazu, leider nicht annähernd so raffinierte. Massive Fensterlaibungen, aus Kalkstein geschlagen, verspielte, marmorne Treppenstufen, mäandernde Putzleisten, reichverzierte Rahmungen, wasserspeiende Tierköpfe, geschwungene Kapitelle auf immer neuen Säulen, geschickt verdeckte Fugen und stolz zur Schau gestellte
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