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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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sagen, sie ließ sich fallen. Frei und schwerelos. So wie andere Menschen in ihr Tagebuch schrieben und erst beim Ausformulieren ihrer Sätze ihre wahren Gedanken entdeckten, so machte sich Elli mit ihren Zeichenstiften auf die Suche nach sich selbst. Endlich hatte sie dieses berauschende Gefühl von früher wieder. Wie hatte sie es nur so lange vernachlässigen können? Ein Blatt Papier und ein guter Stift. Manchmal brauchte es nicht viel, um glücklich zu sein.
    Wie pathetisch sie plötzlich sein konnte! Der kurze Urlaub, die neue Freiheit, die sie wagte, hatten etwas in ihr geweckt, von dem sie sich gar nicht so sicher war, ob sie es wirklich ans Tageslicht bringen wollte. War sie schon bereit dafür? Hatte sie wenigstens einen Teil ihrer alten Stärke wieder? Oder war es ein unabdingbarer Schritt, einer der vielen, einfach nötigen Schritte, um mit der Welt wieder ins Reine zu kommen?
    Jetzt wurde es auch ihr zu heiß. Vielleicht sollte sie ihren glühenden Kopf schnell mit einem Prosecco kühlen? Allein bei dem Gedanken an einen Prosecco auf Eis und einer kleinen Zitrone dazu lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Danach würde sie sehen, was man sich für ein paar tausend Euro in dieser verlockenden Stadt kaufen konnte.
    Damit hatte Madame wohl nicht gerechnet. Eins zu null für ihn. And the winner is … Heiko hatte das herrliche Gefühl, ach was, die befriedigende Gewissheit, Fräulein Frechklappe endgültig allen Wind aus den Segeln genommen zu haben. Klar, das erste Hemd war ein Schock, sollte ihn beleidigen, doch schon das zweite Hemd kam für alle herrlich unerwartet. Als Heiko schließlich mit sechs dieser kindlichen Psychohemden und genauso vielen passenden Tokio-Hotel-Hosen, von den Accessoires ganz zu schweigen, als er also vollbeladen mit den bizarrsten Klamotten, die in Italien je geschneidert wurden, stolz wie Bolle aus dem Laden trat, da hatte er gewonnen, auf ganzer Linie. Wie ein Gladiator hatte er sich der Waffen und Gegner bemächtigt, die seinen Untergang herbeiführen wollten, und trug sie nun als Trophäen seiner Freiheit vor sich her. Tina hatte ihn demütigen wollen, doch das Publikum hatte sich schon längst gegen sie und für den einzig wahren Helden entschieden. Auch wenn der gerade aussah wie eine männliche Paris Hilton.
    Und als Sahne obendrauf war er jetzt am Zug. Nun durfte er bestimmen, welch lächerliches Kostüm sich Tina für den Rest des Tages überstreifen musste. Das allerdings, um ehrlich zu sein, fiel ihm alles andere als leicht. Die dumme Kuh hatte leider einen nahezu perfekten, ja einen verdammten Modelkörper, das war das Erste und Einzige, was ihm an Kurzhaar Kreuzberg aufgefallen war. Die konnte anziehen, was sie wollte, es würde ihr immer gut stehen, viel zu gut. Aus einem Müllsack ein Kleid machen, genauso eine war sie, trotz der kurzen Haare.
    Die vier streiften weiter durch die quirlige Gasse, randvoll war sie mit Modegeschäften. Sandra legte verliebt ihren Arm um seine Hüften. Einerseits verwirrte sie ihn mit ihrer plötzlichen Zuneigung, andererseits wollte er einen Teufel tun und viele Fragen stellen. Nicht vor dieser Nacht, für die er sich einiges vorgenommen hatte. Selbst wenn er dabei eines seiner neuen Hemden tragen musste. Irgendwie fühlte er sich beobachtet. Bewunderten ihn die anderen Passanten gar für seinen ausgefallenen Geschmack? Ja! Er war ein Trendsetter. Lässig öffnete er den nächsten Knopf. Seine Brust sollte ruhig etwas Luft bekommen. Eines musste er den Hemdchen ja lassen, sie trugen sich verdammt angenehm.
    Die Mädels entdeckten ein Sonnenbrillengeschäft und machten sich sofort über alle möglichen Modelle her.
    Schon zerrte Sandra Heiko herbei. »Genau die musst du haben!«, jubelte sie aufgeregt.
    Dem schmierigen Brillenverkäufer, nach hinten gegeltes Haar, braune Gesichtshaut und ein schneeweiß gebleechtes Berlusconi-Grinsen, funkelten die Eurozeichen in den Augen. »Bellissima! Madonna mia! Bellissima!«, frohlockte er und tänzelte um sie alle herum. »Swarowski!«
    Das Brillengestell war unter dem ganzen glitzernden Bling-Bling komplett verschwunden.
    »Wow, wie die dir steht!«, schmeichelte ihm Sandra.
    Heiko war sich da allerdings nicht so sicher. Vielmehr stand zu befürchten, dass die Sonne ihrerseits verdunkelte Gläser brauchte, um sich vor den vielen Reflexionen der Brille zu schützen. Und man selbst musste nur den falschen Winkel erwischen, und sogleich wurde der eigene Sehnerv von allen möglichen Prismafarben

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