Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
verbrannt.
»Spezialpreis: neunhundert Euro«, flüsterte ihm der schmierige Schönling zu.
Heiko schluckte, gab sich aber geschlagen, seiner Freundin zuliebe. Er setzte das Monstrum kurz ab, um ein letztes Mal normales Tageslicht genießen zu dürfen, da man mit der Wahnsinnssonnenbrille so gut wie blind war, dann herrschte nur für ihn funkelnde Nacht.
Heiko brauchte jetzt ein wenig Genugtuung. Lutz, der immer noch nichts sagte, bot sich als dankbares Opfer an. Ohne groß zu fragen, setzte er ihm, der zum unsichtbaren Anhängsel mutiert war, eine Echtgold-verspiegelte Pilotenbrille auf. Es war zu komisch. Lutz sah aus wie ein Totengräber, der bei Top Gun mitspielen wollte. Genauso gut hätte man umgekehrt Tom Cruise eine Heinz-Erhardt-Brille aufsetzen können. Heiko hatte seine größte Freude, doch Lutz riss sich hastig die Brille vom Kopf, um sich wieder hinter seiner völlig zerkratzten, schwarzen Ray Ban zu verstecken.
Eine Viertelstunde später verließen sie den Laden und hatten fünf Brillen im Wert einer kleinen Kreuzfahrt erstanden.
Wenn sie in dem Tempo weitermachten, würde von ihrem Schmerzensgeld bald nichts mehr übrig sein, fürchtete Heiko. Er entdeckte sein Spiegelbild in einem Schaufenster. Was wäre, wenn er versuchte, in diesem Look, mit Jackson-Pollock-Dschungelhemd, arschenger Punkrockhose und seiner Pimpdaddy-Warnblicksonnenbrille, einem Kunden eine Lebensversicherung zu verkaufen? Hm, könnte schwierig werden.
Blieb die Frage, was er Tina antun sollte? Je schneller er ihr ein neues Outfit verpasste, desto eher war er endlich, endlich mit Sandra allein.
Bald entdeckte er ein geradezu ideales Geschäft, dessen Klientel ganz klar zu umreißen war: entweder billige italienische Nutten oder neureiche Russinnen beziehungsweise russische Edelnutten oder neureiche Italienerinnen. Wo war da heute noch der Unterschied? Tina war keines von beiden, aber dank Heiko würde sie bald auf dem besten Wege dazu sein. Heiko war überrascht, wie knapp, im wahrsten Sinne des Wortes, das Angebot war. Er setzte auf den Klassiker, ein hautenges Leopardenkostüm, halb durchsichtig, mit einem Ausschnitt bis zur Poebene. Aber der Schuss ging ordentlich nach hinten los. Das millimeterkurze Wildkatzen-Kleidchen stand Tina so gefährlich gut, dass sie dafür einen Waffenschein brauchte. Selbst Lutz war plötzlich aufgewacht und machte große Augen. Der Typ, dachte sich Heiko, war so was von blind und verloren.
Damit allerdings hatte Heiko nicht gerechnet. Denn auch Sandras Puls schien bei diesem erotischen Anblick schnell zu schlagen. Sie zwinkerte Tina zu und gab ihr einen Klaps auf den wild gemusterten Po. Heiko wusste nicht, ob ihn Sandras Spielchen beunruhigen sollten oder ob sich hier gar ganz neue Möglichkeiten eröffneten? Eines war jedenfalls offensichtlich, Sandra zog Tina mit ihren Blicken genüsslich aus. Und Tina war weit entfernt davon, gedemütigt zu sein. Er versuchte es auf ein Neues, erst mit einem atmungsdichten, schwarzen Gummiüberzug, dann mit einem quietschrosa Hauch von Nichts, einem Jeans-Strapsanzug und einer irgendwie medizinisch wirkenden Nietenkluft. Es half nichts, Tina sah in allem aus wie eine übernatürliche Sexbombe.
Entnervt entschied er sich schließlich für einen pinkfarbenen Lederrock oder besser ein Röckchen, das so knapp unter der Hüfte ansetzte, wie es nur Millimeter später wieder endete. Dazu eine goldene Bluse, die man eher als Bikinioberteil bezeichnen musste, und obendrüber, darauf war er richtig stolz, eine Art gelber Regenmantel. Leider alles eher sexy als beleidigend, aber wenigstens sehr bizarr. Bizarr teuer auf jeden Fall. Heiko hatte das Gefühl, schon wieder pleite zu sein.
Tina dagegen fühlte sich pudelwohl. Und den Vogel schoss schließlich Sandra ab. Als sie wieder auf der Straße waren, präsentierte sie ihnen verschwörerisch den Leopardenanzug. »Hab ich mir heimlich gekauft, hihi!«, gluckste sie. »Für euch!«
Für euch? Heiko war sprachlos.
Entspannter konnte Carlo kaum sein, zumindest nicht unter diesen seltsamen Umständen. Es hatte nicht allzu lange gedauert und sie hatten sich gefunden, er und dieses herrliche Café. Zwei Dutzend Stühle, gepolstert mit dem Logo einer hervorragenden Rösterei, die ihn einluden, dem von der Hitze verlangsamten Treiben als Zuschauer beizuwohnen. Er hatte die Stühle und Kaffeetassen förmlich seinen Namen rufen hören. Carlo! Wie ein Theaterzuschauer mit Jahresabo auf den besten Platz saß er im Schatten,
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