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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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gelten.«
    Schach und schachmatt! Gar nicht doof, das Fräulein Richter, musste man ihr schon lassen. Feline erklärte, dass sie entschieden habe, genau aus diesem Grund nicht zu klagen, aber man konnte ihr ansehen, dass es sie Beherrschung kostete. Man sollte in nächster Zeit ihrer Assistentin stecken, regelmäßig Felines Handtaschen nach Schusswaffen zu durchleuchten, zu ihrer eigenen und Ilona Richters Sicherheit.
    »Ich finde, wir sollten den Spruch ›Keine Leuchten‹ als Titel unserer nächsten Ausgabe nehmen und darauf ironisch eingehen. Wir widmen uns den Losern in all unseren Bereichen, also Losern im Bereich der Literatur, Musik und Film, auch Politik oder Fernsehen und stellen uns selbst, die wir keine Leuchten sind, mit Foto und Begründung, warum jeder von uns keine Leuchte ist, vor.«
    Diane! Kam dieser originelle und gute Vorschlag gerade eben wirklich von Diane der Humorlosen? Ich konnte es nicht fassen, am Ende besaß sie wirklich Qualitäten, zumindest berufliche. Irgendeinen Grund musste es ja gegeben haben, weshalb Clemens und all ihre anderen Chefs Diane eingestellt hatten, denn nur mit Beziehungen kam man heute nicht mehr weit.
    Alle lachten laut los. Feline fand die Idee genial.
    »Das machen wir! Wir beweisen Humor und Größe!«
    So gut die Idee war, würde sie für mich doppelte Arbeit bedeuten. Zusätzlich zur regulären Ausgabe musste ich die Biennale-Beilage vorbereiten, aber gut, dann sollten eben meine freien Mitarbeiter für die normale Ausgabe mehr abliefern als sonst, wenn es uns alle weiterbrachte.
    In der November-Ausgabe würde Michi ein Special über die Frankfurter Buchmesse beisteuern, und im Dezember musste Diane mit dem Noise Festival ran. Wir hatten gute Themen für die kommenden Hefte und sahen der Zeitgeist gelassener entgegen.
    Nachdem Clemens uns eingeschworen hatte, unser Bestes zu geben, stoben alle leider viel zu laut für meinen Geschmack und meine Kopfschmerzen auseinander.
    »Gretchen, kommst du bitte kurz mit in mein Büro, ich müsste was mit dir besprechen«, bat mich Clemens.
    Kaum waren wir bei ihm in seinem Büro, ließ ich mich auf seinen Besuchersessel fallen. Clemens sah mich besorgt an.
    »Ist alles in Ordnung? Du siehst heute so anders aus, als ob dich etwas bedrückt. Was ist denn los?«
    Wie gern hätte ich ihm all meine Sorgen und Nöte in diesem Moment gebeichtet, wenn ich denn welche hätte, man wurde nicht alle Tage so verständnisvoll gefragt. Leider konnte ich nur mit einem verlängerten Kater dienen und ziemlich üblen Kopfschmerzen.
    Auch in dieser Situation war Clemens umwerfend. Ungefragt begann er, mir sanft die Schläfen zu massieren. Die Augen halb geschlossen, ließ ich mir auch den Nacken und die Schultern kneten und sah dabei auf die Wand, an der Clemens’ Banner mit dem Zitat aus Heat hing, das mir schon beim allerersten Mal aufgefallen war. »Don’t let yourself get attached to anything you are not willing to walk out on in thirty seconds flat if you feel the heat around the corner.« Wie war das noch: Binde dich an nichts, was du nicht innerhalb von dreißig Sekunden loswerden kannst!
    Während ich fast wegnickte und überlegte, ob Schnurren übertrieben wäre, fragte ich Clemens schläfrig, welche Bewandtnis es mit dem Filmzitat auf sich habe. Er hielt kurz mit Massieren inne, fuhr fort und begann den Versuch einer Erklärung.
    »Weißt du, manchmal, wenn mir der Job zu viel wird oder ich denke, wie soll ich das alles schaffen, lese ich den Spruch und denke mir, alles halb so wild. Keiner kann dich zu irgendwas zwingen, du kannst immer und zu jeder Zeit neu anfangen, und das nimmt dann der momentanen Situation fast immer den Druck.«
    Soso, Clemens war doch einer von uns Sterblichen mit einem Empfinden für Druck und Versagensangst. Beschwörend sah er mich an.
    »Das weißt nur du, Gretchen, das hab ich so noch niemandem erzählt. Ich vertraue dir einfach, weil ich weiß, dass du mich verstehst wie keine andere.«
    Meine Kopfschmerzen waren schlagartig weg, das Blut klopfte nicht mehr gegen die Schläfen, dafür mein Herz umso mehr, denn was Clemens eben gesagt hatte, war mit das Schönste, was mir je jemand gesagt hatte. Anstatt zu antworten, gab ich ihm einen Kuss. Er strich meine Haare aus dem Nacken und begann mir auszumalen, wie schön Venedig werden würde, wir beide in der Gondel, auf dem Lido, beim Pastaessen. Eigentlich Klischees, aber bei Clemens und vor allem mit Clemens klang es nur nach einem: dem

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