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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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stehen, um etwas aus ihrer Tasche zu holen, drehte sich um und sah Clemens und mich.
    Eisig ist eine nette Beschreibung für ihre gefrorenen Gesichtszüge.
    »Clemens.« Dazu ein verachtendes Nicken, was wohl als Begrüßung gedeutet werden sollte. Ihr Hass erstreckte sich also auch auf Clemens, Feline würde sich freuen, einen Leidensgenossen an ihrer Seite zu wissen.
    Mich lächelte Ilona an und begrüßte mich ausnehmend freundlich.
    Clemens nickte höflich und ging weiter zur Gepäckausgabe, ich nichts wie hinterher. Fehlte noch, dass sie versuchte, mich weiter zu bezirzen, außerdem war dieser Ausflug nicht als eine Verlegung der ganzen Berlin-Dramen nach Venedig gedacht, sondern einzig und allein als romantischer Liebes-Arbeitsurlaub.
    Wir machten uns mit dem Gepäck auf den Weg nach draußen, wo bereits ein älterer Italiener wartete, mit einem Schild, auf dem unsere Namen und die einiger anderer Gäste geschrieben standen. Er sprach englisch mit starkem italienischen Akzent und brachte uns zum Hotel-eigenen Boot, wo erst unser Gepäck und dann wir verstaut wurden. Mit Höchstgeschwindigkeit brauste Salvatore, wie unser Fahrer hieß, übers Meer in Richtung Lido. Die kleine Insel vor Venedig war einfach perfekt für das Festival, man hatte praktisch die Insel für sich, während die Festival-Veranstaltungen in Cannes fast immer von Touristen belagert wurden.
    Das Wasser spritzte uns ins Gesicht, Salvatore lachte und hatte so viel Spaß an seinem Boot wie mein lieber Bruder früher an seinen Lego-Spielsachen, die er natürlich von meinen Großeltern bekommen hatte. Von meinen Eltern gab’s nur Holzspielzeug.
    »Look, look!« , rief Salvatore und zeigte auf das Hotel des Bains am Ufer, dem wir uns rasant näherten. Mein Herz war übervoll. Allein mit Clemens die Stadt der melancholischen Romantik für uns zu entdecken, und das bei strahlendem Sonnenschein und angenehmer Lufttemperatur Ende September. Das legendäre Hotel, in dem Thomas Mann damals seinen Tadzio heimlich angeschmachtet und in dem er so Stoff für sein Tod in Venedig gesammelt hatte, erinnerte an rauschende, vermeintlich romantischere Zeiten mit seinem weißen Anstrich, den langen schmalen Fenstern mit Verzierungen, den kleinen Stehbalkonen und den drei angedeuteten Türmchen.
    In den vergangenen Jahren war ich zwar öfter im Hotel des Bains gewesen, aber nur am wunderschönen Swimmingpool, der mitten in einem alten Garten mit hohen Bäumen stand. Hier führte ich Interviews mit Regisseuren oder Schauspielern, die sich auf den einladenden dick bepolsterten Liegen lümmelten, während ich Fragen stellte und mein Diktiergerät laufen ließ. Oft hatte ich mir vorgestellt, wie schön es sein musste, hier ein Zimmer zu haben, am besten mit Meerblick, und morgens im Garten in einem der großen Korbsessel zu frühstücken.
    Im Hotel des Bains buchten sich während des Festivals alle ein, die Rang und Namen hatten, wodurch auch die Preise in dieser Zeit ins Astronomische wuchsen. Normalerweise bekam man zur Festivalzeit kurzfristig kein Zimmer, es sei denn, man war bekannt genug, denn die meisten Zimmer waren schon seit Monaten reserviert. Viele Gäste buchten bereits bei einer Abreise gleich für das nächste Jahr. Ohne Kontakte hätte Clemens uns also niemals in dieser noblen Herberge einquartieren können, schon gar nicht mit eigenem Zimmer für jeden.
    Nun war es so weit. Zusammen mit Clemens schrieb ich mich an der Rezeption ein. Mein Zimmer war im ersten Stock, seines im dritten. Wir schritten durch die vertäfelte Halle mit ihren prunkvollen Kronleuchtern Richtung Aufzug. Ich fühlte mich sofort wohl hier, was auch daran lag, dass ich Viscontis Tod in Venedig oft genug gesehen hatte, in welchem das Hotel eine große Rolle spielt.
    Im Aufzug strich Clemens mir über den Hals.
    »Denk erst gar nicht daran, im ersten Stock auszusteigen, du fährst sofort mit mir in den dritten.« Nur zu bereitwillig blieb ich im Fahrstuhl und stieg mit Clemens im dritten Stock aus. Er schloss die Zimmertür auf, und mir blieb der Atem stehen. Er hatte kein normales Doppelzimmer, sondern eine riesige Suite mit Balkon und Meerblick. Gerade ging die Sonne unter, und die letzten warmen Strahlen fielen in das Zimmer. Unglaublich, aber das gab es wirklich, dass etwas die Vorstellung übertreffen konnte und man nicht enttäuscht wurde. Die schweren, langen beigefarbenen Vorhänge mit dunkelroten Bordüren, deren Farben sich im Muster des Teppichs wiederfanden, die langen

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