Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Fenster mit den messingverzierten Stehbalkonen, die blumenverzierten Sessel und das riesige mit edlen Stoffen überzogene Bett waren wie ein perfekter Traum. Jubelnd ließ ich mich auf das frisch bezogene Kingsizebett fallen, das nach frischer Wäsche roch.
Clemens legte sich lachend zu mir auf das Bett. Ich sah ihn strahlend an.
»Nur damit das klar ist, aus dem Bett steh ich nicht mehr auf. Die Matratze ist so bequem, da schläft man sicher wie ein Stein!« Ich freute mich immer noch wie ein kleines Kind an dem luxuriösen Ambiente.
»An Schlafen habe ich nicht wirklich gedacht, aber wenn du meinst …« Clemens grinste zweideutig. Ja, er konnte ziemlich verwegen sein, auch eine Seite, die ich an ihm mochte.
Er begann langsam, aber bestimmt, mein Oberteil hochzustreifen.
»Weißt du eigentlich, dass wir uns, was Liebespaare und Affären betrifft, an einer geradezu historischen Stelle befinden?«
Nein, das wusste ich nicht, war mir aber auch ziemlich egal, solange seine Hände mein Oberteil auszogen.
Clemens küsste mich lange und sprach schon atemloser weiter.
»Genau hier begegneten sich Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque zum ersten Mal. Und der russische Ballett-Maestro Diaghilew führte hier am Lido seinen jungen Geliebten Waslaw Nijinskij in das mondäne Badeleben ein, shocking , nicht?« Clemens riss gespielt entsetzt die Augen auf.
Meine Antwort fiel eher mau aus, denn ich lag schon mit halb geschlossenen Augen da, bereit, Clemens’ Ausführungen über Liebespaare in der Praxis und im Jetzt zu erleben.
Zum Abendessen führte Clemens mich ins Piccolo, ein kleines abgelegenes Restaurant, das vor allem von Einheimischen besucht wurde und so gar nichts mit dem Pomp der Filmfestspiele zu tun hatte, dafür aber umso mehr mit dem, was ich unter italienischer Lebensart verstand: gutes, einfaches Essen, Wein und viel Lärm. Clemens sprach fließend italienisch, was ihn noch attraktiver machte inmitten der rassigen Papagallos, und kümmerte sich gemeinsam mit dem Kellner namens Piero, der sich dem Klischee entsprechend über eine bella bionda mit hellblauen Augen sehr freute, rührend um mich. Beide wurden nicht müde, wild gestikulierend zu diskutieren, welche Speisen ich unbedingt probieren musste, welcher Wein der richtige für mich sei und was ich auf gar keinen Fall verpassen durfte. Das Paradies hatte einen Namen, und der war Venedig. Wer hätte gedacht, dass ich, die allgemein gültige Massenromantik immer verurteilt hatte, ausgerechnet in Venedig dem Mekka des Mittelschicht-Europäers und aller Flitterwochenpaare, das fand, was ich überall, aber nicht in Venedig vermutet hätte. Ich, die ich immer das ganz große Kino wollte, mit Romantik und der einzig wahren Liebe, aber bitte genau auf mich zugeschnitten und noch nie da gewesen und wehe, wenn der Verehrer dasselbe Lied seiner Ex schon mal gebrannt hatte oder an einen Ort mit mir fuhr, wo er bereits mit einer anderen gewesen war. Das waren für mich handfeste Trennungsgründe.
Sarah mit ihrer praktischen und nüchternen Art hatte mir so oft vorgeworfen, dass ich viel zu verkitscht an die Liebe herangehen würde, meine Ansprüche würden jeden Mann überfordern, zumal ich einerseits filmreife Überraschungen und Ideen von dem Liebsten erwartete, er gleichzeitig aber auch nicht zu exzentrisch sein durfte. Wenn Sarah mich jetzt mit Clemens sehen könnte, wüsste sie, wonach ich immer gesucht hatte, genau nach diesem aufmerksamen, aufregenden Mann, der sich gemeinsam mit dem Kellner ernsthaft Gedanken machte, ob ich das Himbeertiramisu oder doch lieber ein Stück vom frisch gebackenen Pistazienkuchen versuchen sollte. Gemeinsam entschieden sie, mir einfach einen Teller mit beidem bringen zu lassen, verfolgten gespannt meine Probierlöffel und bekamen bei jedem meiner entzückten Ahs, Ohs und »benissimo« -Ausrufe leuchtende Augen und lachten sich zufrieden an. Manchmal wurde einem eben doch zuteil, was man sich wünschte, dachte ich, als ich die kleine Kerze sah, die der bezaubernde Piero für mich extra auf den Pistazienkuchen gesteckt hatte, und wünschte im selben Moment, dieses Glück ewig anzuhalten. Nach einem langen, wunderschönen Abend verabschiedeten wir uns ausgiebig von meinem persönlichen Kellner, der uns noch ein paar Mal sagte, was für ein schönes Paar wir seien und dass er uns viele Kinder wünsche. Angenehm angetrunken gingen wir Hand in Hand über die kleinen Brücken, durch die verwinkelten Gässchen zum Hotel.
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