Flaschendrehen: Roman (German Edition)
nichts Schöneres als Schnee in der Vorweihnachtszeit, besonders in Berlin, wo er Hundehaufen und Bierflaschen bedeckte und die Stadt plötzlich ungewöhnlich aufgeräumt und idyllisch aussehen ließ. Bisher hielt sich meine Adventsstimmung in Grenzen, was allein daran lag, dass ich keine Zeit gehabt hatte, die obligatorische Weihnachtsdekoration auszupacken oder Plätzchen zu backen. Aber jetzt, so mitten im Schneetreiben in der Stille, es waren kaum Menschen unterwegs, empfand ich vorweihnachtliche Gefühle.
Jubelnd fing ich Schneeflocken mit dem Mund auf und blieb alle paar Meter stehen, um unter Straßenlaternen in den fallenden Schnee zu schauen, der durch die Lichteinwirkung einem das Gefühl gab, zu fliegen. Ben lachte und nannte mich einen Kindskopf.
»Übrigens, ich wollte dir zwei Bücher geben, die du lesen solltest. Lass uns bei mir vorbeigehen, ich bring dich dann nach Hause.«
Büchertipps von Ben waren immer einen Umweg wert, ich konnte gar nicht mehr abzählen, wie viele Autoren ich durch ihn entdeckt hatte, außerdem war ich bisher nicht einmal in seiner Wohnung gewesen, obwohl die nur einen Katzensprung von meiner entfernt war. Ben blieb eben gern allein, er brauchte viel Zeit für sich, auch ein Grund, weshalb er noch nicht mit Liv zusammengezogen war, obwohl sie darauf drängte. Gespannt, wie seine Wohnung wohl aussah, ging ich mit Ben das Treppenhaus des Altbaus in den zweiten Stock hoch.
Seine Wohnung war meiner nicht unähnlich, drei Zimmer, Altbau, große Wohnküche, hohe Stuckwände und Parkettboden. Die Einrichtung war schlicht, aber sehr gemütlich gehalten, überflüssigen Schnickschnack gab es nicht. Allerdings war die Wohnung sehr ordentlich aufgeräumt, alles sortiert und geordnet, dass Freud seine wahre Freude daran gehabt hätte.
»Kontrollfreak!«, stichelte ich, als ich die umfangreiche alphabetisch geordnete CD -Sammlung sah.
Ben ging nicht darauf ein, sondern fragte, ob ich etwas trinken wollte. Warum eigentlich nicht? Es war noch nicht so spät und solange es kein Alkohol war.
»Hast du heiße Schokolade?«
Hatte er und brachte wenig später eine dampfende Tasse für mich und einen Wein für sich ins Wohnzimmer.
Ben machte Musik an, Paul Weller erklang leise mit You do something to me im Hintergrund. Ich hatte mich auf das einladende große weiße Sofa gelegt, natürlich hatte es nicht einen Fleck, mich in die warme Wolldecke gekuschelt und sah durch das große Fenster dem Schneetreiben zu, das vom flackernden Schein einer Straßenlaterne beleuchtet wurde.
Ben stellte die Getränke auf dem Couchtisch ab, ging zu seinem Regal, zog zwei Bücher raus und setzte sich zu mir.
»Hier, die beiden solltest du dringend lesen!«
Neugierig schaute ich auf die Titel.
Casanova, aus meinem Leben und Die geheime Körpersprache . Sollte das ein Witz sein?
Alles, was ich bisher von Ben an Büchern erhalten hatte, war literarisch wertvoll gewesen, aber ein Sachbuch über Körpersprache und Casanovas Memoiren waren so ungewöhnlich, dass er sich vergriffen haben musste.
»Sind das die beiden Bücher?«, fragte ich vorsichtshalber nach.
Ben nickte.
»Ja, auf den ersten Blick eine seltsame Wahl, aber ich bin mir sicher, sie werden dir neue Einsichten geben und Horizonte öffnen.«
Na gut, wenn er meinte, warum nicht, ich konnte sie ja jederzeit wieder weglegen.
Mein Blick schweifte zu mehreren eingerahmten Fotos hinüber, die auf seinem Schreibtisch standen. Auf einem waren Ben, Rudi und ich zu sehen, wie wir uns umarmten und in die Kamera lachten. Das Foto war uralt, ich wusste noch genau, wann es aufgenommen wurde, als Rudi sein Studium erfolgreich abgeschlossen hatte und wir feierlich essen waren. Neben unserem Bild stand ein Foto, das Liv zeigte, wie sie in einer Hängematte eingeschlafen war. Sie sah irgendwie unschuldig und wunderschön darauf aus. Das sagte ich Ben auch.
Er lächelte und stimmte zu.
»Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Liv inzwischen nett finde, sogar fast mag?«, teilte ich Ben mit, der mir wiederum versicherte, dass sie dasselbe über mich gesagt habe und er sehr froh und erleichtert sei, dass sich unser Verhältnis so entspannt habe, schließlich seien wir ihm beide unglaublich wichtig.
Da schau an, eine Gefühlsregung von Ben, wie niedlich.
»Wie läuft’s denn bei euch?«, fragte ich nach, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er gerade bereit war, sich zu öffnen, und ich endlich einmal Themen ansprechen konnte, die immer in der Luft
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