Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
Vom Netzwerk:
lernen! Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, erfasste uns eine Art Galgenhumor, und wir machten schon Witze über Clemens.
    »Wir könnten ihm ja auch sagen, dass wir die Situation, so wie sie ist, super finden, uns mit dem mormonischen Glauben beschäftigt haben und eine Kleeblatthochzeit mit uns vieren und Ilona Richter als Trauzeugin und seiner Stalkerin als Blumenmädchen in Utah vorbereitet haben.« Diane, die langsam wieder zu ihrer alten Form fand, aber lange nicht mehr so bissig und gemein war wie früher, kicherte.
    Clemens war für sie endlich eine Bezugsperson gewesen. Er hatte ihr zugehört und Beachtung geschenkt und schickte sie nicht weg wie ihr Vater, wenn es Probleme gab. Außerdem war Clemens als der kultivierte Mann von Welt, der genug Geld mitbrachte und ihr die Welt zu Füßen legte, genau der Richtige gewesen. Gesellschaftlich passte er ebenfalls hervorragend ins Bild, und Dianes Neureichen-Manko hob er mit seinem Intellekt und den Kontakten zu alteingesessenen Familien auf. Man konnte ihn mit auf eine Veranstaltung nehmen, ohne erst erklären zu müssen, was ein Dessertwein oder eine Etagere waren. Vor allem aber war er furchtlos genug gewesen, sich nicht von ihrem Panzer abschrecken zu lassen, und hatte es geschafft, weiche, sanfte Seiten an Diane zu Tage zu bringen. Diane war sicher nicht in den paar Tagen zu einer Freundin mutiert, nur weil wir eine Schicksalsgemeinschaft bildeten, aber immerhin war ihr Verhalten nachvollziehbarer geworden, und als sie von ihrem Elternhaus und der emotionalen Verwahrlosung erzählte, war mir noch einiges mehr klar geworden. Kein Wunder, dass sie, wenn sich jemand ihrer annahm, wie Clemens es getan hatte, alles daransetzte, um ihn für sich allein zu haben und mit allen Mitteln gegen jede Art von Konkurrenz zu verteidigen.
    »Aber was machen wir, wenn wir vor ihm stehen und ihn zur Rede stellen nicht ausreicht? Habt ihr denn gar keine Mordgelüste?«, fragte Michi, die ebenfalls neue Seiten erkennen ließ und sich langsam von der Hoffnung löste, in Clemens ihren neuen Vaterersatz gefunden zu haben, und stattdessen lieber auf Rache schwor.
    Allein der Gedanke, Clemens nach allem, was passiert war, wieder zu treffen, verursachte mir weiche Knie, ich konnte nicht einschätzen, wie ich mich verhalten, was ich fühlen würde oder ob ich mich rächen wollte.
    Michi die feurige Amazone schwang ihre zierlichen Ärmchen, ballte sie zur Faust und legte nach.
    »Wir müssen ihn vernichten, finanziell, gesellschaftlich, beruflich, und vor allem privat. Was uns passiert ist, darf keiner anderen Frau mehr passieren, das sind wir seinem neuen Umfeld schuldig!«
    Amen.

»Vor euch seht ihr gerade frisch aus der Druckerpresse die erste Ausgabe der Phosphor im neuen Jahr samt Sonderheft. Lasst die Korken knallen!«, jubelte Feline und schenkte uns ein Glas Veuve ein. Wir stießen mit unseren Volontären, Praktikanten, freien Mitarbeitern, der Grafikabteilung, den Fotografen, sprich allen, die maßgeblich an diesem Wunderwerk mitgearbeitet hatten, an. Übermüdet, überarbeitet, aber überglücklich fielen wir uns um den Hals. Wir hatten es geschafft, trotz allem, was wir in den letzten Tagen durchgemacht hatten! Keine hatte das Handtuch geschmissen, jede hatte versucht, das Beste zu geben. Mit einer gewissen Portion Stolz, es allein geschafft zu haben, ohne einen Chefredakteur im Hintergrund, prosteten wir uns zu.
    Feline sah man die Erleichterung über das gelungene Heft deutlich an.
    Plötzlich fiel mir ein, dass ich unter anderen Umständen an diesem Tag gekündigt hätte, um mein neues Leben mit Clemens zu beginnen, der morgen wieder von seinem Alpenmanagementseminar zurückkehrte.
    Ich spürte ein Ziehen in der Magengegend. Hinweg war ich noch nicht über den zerplatzten Traum, aber deutlich auf dem Weg der Besserung, und Erlebnisse wie diese halfen, immerhin hatte ich noch einen Job, der immer mehr Spaß machte, dank des inzwischen sehr kollegialen, fast freundschaftlichen Umgangs.
    »Ich nehm noch ein Glas!«, rief Michi vorlaut und lachte dabei. Es war komisch, wie jeder auf die Enttäuschung mit Clemens reagierte, sich mit der Erfahrung veränderte.
    Michi war eindeutig unerschrockener geworden, fast so, als ob sie sich dachte, wenn sie Clemens überlebt hatte, konnte sie mit allem fertig werden. Vielleicht war ihr aber auch klar geworden, dass es keine Sicherheiten oder Garantien im Leben gab. Ihre psychosomatischen Krankheiten waren auf alle Fälle so gut

Weitere Kostenlose Bücher