Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Mariah-Carey-Platte war alles erlaubt.
Eingeladen waren Freunde von Freunden und deren Freunde. Es ging auch darum, das männliche Sortiment zu sondieren, da konnte die Anzahl nicht groß genug sein – solange sie Single waren und eine Schufaauskunft samt psychologischem Eignungstest vorweisen konnten, der sie von pathologischen Fremdgängern und Serienmördern unterschied.
Meine Laune war bemerkenswert gut, ich hatte Lust, endlich mal wieder lautstark zu feiern, zu tanzen, mich sorglos in der Nacht zu vergessen. Die Männer durften gern dabei sein, aber vor allem ging es mir darum, heute mal wieder richtig Spaß zu haben. Geheult, getrauert und gelitten hatte ich lange genug. Damit war Schluss, der Frühling stand vor der Tür, und so ein Gefühlsputz war dringend nötig.
Dazu gehörte auch Ben. Wahrscheinlich würde ich bis zum Sankt Nimmerleinstag Gefühle für ihn hegen, er würde bis zu diesem Datum immer eine andere Freundin haben, aber mich trotzdem irgendwie gut finden. Ich war drauf und dran, mich mit der Tatsache abzufinden, dass nicht jede Liebe im Leben erfüllt wird und das, so bildete ich mir zumindest ein, der erste Schritt war loszulassen und sich für Neues zu öffnen.
»Schau mal, ich hab ’ne original The-Who-Platte mitgebracht, ist das nicht stark?«, hielt mir mein Vater stolz seine alte Plattensammlung entgegen.
Ja, auch das gehörte dazu, um sich Neuem zu öffnen, ich hatte tatsächlich freiwillig meine Eltern auf diese Party eingeladen. Nicht, dass das zur Gewohnheit wurde, aber wenn mir eins klar geworden war in der letzten Zeit, dann, wie wichtig es war, eine Familie zu haben, die einen auffing, egal wie nervend ihre Ansichten waren. Da nahm man eben auch in Kauf, dass der eigene Vater gegen zwei Uhr nachts den DJ zur Seite schieben würde, um mal »anständige Musik« aufzulegen, und die eigene Mutter die Party zur Suche verlorener hilfsbedürftiger Schäfchen nutzte, um mit ihnen Steinrituale durchzuführen. Aber sie wurden auch nicht jünger, und die Zeit, die wir alle gesund und munter verbringen konnten, war begrenzt.
Diane, der ich eigentlich mal Hausverbot erteilt hatte, machte sich tatsächlich in der Küche nützlich und half beim Kartoffelschälen für einen Salat. Jawohl, Kartoffeln schälen, eine Tätigkeit, die man auch als Normalsterblicher ätzend finden konnte, wenn man nicht jede Woche wie Diane zur Maniküre ging.
Nicht einen Beschwerdemucks hatte sie von sich gegeben, sondern von allein Hilfe angeboten, ja, es geschahen Zeichen und Wunder.
Dass sie allerdings Rudi ihren Autoschlüssel zugeworfen hatte, damit er ihr einen Parkplatz suchte, sie stünde in zweiter Reihe vor der Tür, ließ noch das Stück Arbeit erkennen, das ihrem Sozialisierungsprozess vorausging.
Wir waren mitten in den Vorbereitungen, als schon die ersten Gäste eintrudelten. Egal, heute konnte jeder machen, was er wollte, ich als Gastgeberin eingeschlossen. Die Leute waren alt genug, sich zu beschäftigen und Spaß zu haben.
»Wo kommen denn die Loslass-Sachen hin?«, fragte mich ein ziemlich sympathischer Typ, den ich mein Lebtag noch nicht gesehen hatte.
Ich nahm ihm seinen Gegenstand ab und steckte ihn in unseren großen Tombolasack. Später am Abend würden wir die Gegenstände verlosen und das Ganze karmisch ein wenig aufmischen.
Die Musik lief, die Getränke flossen, die Stimmung war prächtig, es wurde heftig getanzt, und das schon vor Mitternacht.
Rudi, der DJ spielte und ganz in seinem Element war, legte Best of you von den Foo Fighters auf.
Sarah zog mich auf die Tanzfläche. Hach, tat das gut, mal wieder laut singend und tanzend sich treiben zu lassen, rechts und links von gut aussehenden Männern angetanzt zu werden, allerdings auf freundliche und nicht aufdringliche Weise.
»Is someone getting the best of you? Has someone taken your faith? It’s real the pain you feel, you trust, you must, confess is someone getting the best, the best of you?« , sangen Sarah und ich lautstark mit und schrien uns die Seele aus dem Leib.
Völlig high schwangen wir die Haare, die Hüften, vergessen in der Musik, bis plötzlich Ben vor mir stand. Er musste mich länger beobachtet haben, denn er tanzte nicht, sondern sah mich nur an, mit einem Ausdruck, als ob es ihm wehtat, mich zu sehen. Egal, sollte leiden wer wollte, ich nicht mehr!
»Is someone getting the best, the best of you!« , formte ich den Refrain in Bens Richtung, der zusammenzuckte.
»I’ve got another confession my friend,
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