Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Liv wirklich Leid, mir war nie klar gewesen, wie schwierig es sein musste, Ben als Freund zu haben. Ich meine, welche Frau hörte schon gern, dass der Partner der Beziehung bereits im Vorhinein bloß Halbwertzeit zuspricht. Außerdem gab es sicher genug Frauen, die solch einen Fall wie Ben besonders interessant fanden und sich zum Ziel machten, ihn zu knacken – je höher die Messlatte, umso besser.
»Dich muss ich erst gar nicht fragen. Du glaubst an die große wahrhaftige, ewige Liebe, seit ich dich kenne. Du warst schon in der Schule eine Schwärmerin«, foppte mich Ben. Es sollte wohl lustig klingen, aber eigentlich hörte es sich fast traurig an.
»Hast du schon mal an die Möglichkeit gedacht, einen Menschen zu finden, der einfach nicht ersetzbar, austauschbar ist, weil euch so viel verbindet und eine Faszination und Anziehung besteht, die du bei noch keinem anderen Menschen zuvor erlebt hast? Eben keine Kompromissbeziehung, weil man aus derselben Stadt stammt oder Angst hat, übrig zu bleiben. Du scherst gerade jede Frau über einen Kamm, nur weil Beziehungen auf den ersten Blick nach dem gleichen Muster ablaufen, füreinander schwärmen, sich verlieben, sich binden usw. … Aber du willst mir doch nicht erzählen, dass es sich jedes Mal gleich angefühlt hat! Es muss doch Mädchen gegeben haben, bei denen du gezittert hast, wenn du sie geküsst hast, und andere, mit denen du lieber gelacht hast. Was ich damit sagen will, ist, dass wir bis zu einem bestimmten Level mit vielen Partnern kompatibel sind, es aber nur einen oder zwei gibt, die nicht ersetzbar für einen sind und mit denen sich alles fügt.«
Mir wurde heiß, so sehr hatte ich mich in Rage geredet. Ben lächelte undefinierbar.
»Sag ich doch, du bist eine romantische Schwärmerin!«
Sollte er mich nennen, wie er wollte: Ich würde auf alle Fälle mit jemandem glücklich werden, und wenn er mit Liv nicht das fand, was eine gute Beziehung ausmachen sollte, musste er sich eben früher oder später von ihr trennen, aber bitte ohne seine düsteren Theorien in der Welt zu verbreiten.
Mir war die Lust zu weiteren Grundsatzdiskussionen vergangen. Gefühle und Liebe zu diskutieren und analysieren brachte sowieso nichts, genau deshalb waren es ja Gefühle und keine Theorie! Sie passierten und wurden nicht konstruiert, außerdem war ich müde und musste morgen früh raus.
Ben musste ebenfalls los, Liv die Heilige , wie ich sie ab heute nennen würde, abholen. Er bot an, mich zu begleiten, weil er sein Motorrad holen wollte und meine Wohnung auf dem Weg lag.
Die anderen blieben noch. Mimi war bei Leilas Eltern, Sarah hatte ihren freien Tag, und Rudi war gewohnt, die Nacht zum Tag zu machen, und zeigte im Gegensatz zu mir keine Abnutzungserscheinungen, wenn er am nächsten Tag früh arbeiten musste. Ben und ich verabschiedeten uns und machten uns auf den Heimweg.
Vor meiner Tür angekommen, sagte ich »Gute Nacht« und schloss auf.
»Es gibt noch eine Möglichkeit! Die unerfüllte Liebe. Man liebt sich, will sich, kommt aber nie zusammen: Diese Sehnsucht, diese ungelebte Liebe kann für immer halten, weil sie immer die Möglichkeit offen hält, wie es gewesen wäre, und sich nicht im Alltäglichen und dem Wissen, wie es tatsächlich ist, verliert.«
Hatte ich schon erwähnt, dass ich echt müde war?
»Du spinnst! Schon mal dran gedacht, dass Alltag auch was Schönes sein kann?«, erwiderte ich. Gut, vielleicht nicht mit Liv, ihre Stimme und ihr Wesen waren ja trotz meiner Heiligsprechung immer noch nervend, aber das war zum Glück nicht mein Problem!
»Leg bitte endlich den Schwamm aus der Hand und komm, wir müssen los! Die Premiere beginnt in einer halben Stunde!«
Ungeduldig zerrte ich Sarah aus meinem Badezimmer, die sich am Waschbecken mit Viss zu schaffen machte.
»Du hast dein Becken mit dieser völlig überzogenen Schminkorgie komplett versaut!«, tadelte sie mich.
»Ja genau, MEIN Becken. Wenn du deinem Putzzwang frönen möchtest, bitte in DEINER Wohnung!«
Und überhaupt von wegen überzogene Schminkorgie! Etwas Puder, Wimperntusche und Lipgloss! Mehr legte ich fast nie auf. Rote Wangen hatte ich leider auch ohne nachzuhelfen. Machten einen gesunden Eindruck, sahen ländlich aus, wie Rudi es gern nannte.
Sarah als klassisch-herber Typ schminkte sich so gut wie nie. Sie benutzte höchstens mal ’nen Lippenstift, der dann aber so rot und auffällig war, dass selbst die Perlenohrringe und der glatte Pagenkopf komplett dahinter
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