Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Bändchen am Armgelenk da.
»Ich weiß. Ich auch.«
Wir sahen uns an.
»Mist! Das gab’s noch nie! Was machen wir jetzt?«, fragte sie.
»Na ja, bisher haben wir doch auch alles geteilt!«, versuchte ich die Stimmung aufzulockern. Dabei war mir nicht zum Lachen zumute. Wenn ich auf etwas keine Lust hatte, dann, dass Sarah und ich den gleichen Mann toll fanden, denn eines war klar: Entweder würde sie oder ich zwangsläufig verletzt werden, im schlimmsten Fall sogar wir beide.
»Er ist immerhin dein Chef. Dafür könntest du gefeuert werden. Das kann ich natürlich nicht zulassen«, versuchte Sarah ihrerseits einen kläglichen Witz.
»’nen Job finde ich locker wieder. So ’nen Mann nicht!«, entgegnete ich.
Das fing ja super an. Ich atmete tief durch.
»Okay, entweder wir entscheiden uns, vernünftig zu sein, und schwören ihm beide jetzt und sofort ab, oder wir spielen mit offenen Karten und sehen, für wen er sich entscheidet. Was denkst du?«
Innerlich fluchte ich, wie ich auf die Idee gekommen war, Sarah Clemens überhaupt vorzustellen. Hätte ich mir auch denken können, dass er keine Frau kalt ließ, auch Sarah nicht. Dabei hatte ich so gern ihr Urteil über ihn hören wollen. Sie sollte beobachten, ob er mich länger als nötig ansah, sie sollte tun, was die beste Freundin eben so macht, wenn man sich verknallt hatte. Und jetzt stand sie da, meine beste Freundin, vom Blitz getroffen, und erklärte uns von einem auf den anderen Augenblick zu Konkurrentinnen. Aber nein, das konnte nicht sein. Ihr würde bestimmt noch eine Lösung einfallen. Sie war immer so logisch und pragmatisch! Ich meine, wenn jemand mit ’nem Matheleistungskurs und super Physikum keine Lösung fand, dann konnten wir es gleich bleiben lassen.
»Ich bin für diesen Versuch. Warten wir es ab. Wir sind erwachsen genug, um mit dieser Situation umzugehen, und so viele gute Typen gibt es schließlich nicht.«
Na gut, vielleicht wusste sie doch nicht für jedes Problem die Lösung. Ihr Wort in Gottes Ohr! Ich war mir nicht so sicher, ob wir das hier im Griff hatten, aber einen Rückzieher wollte ich auch nicht machen; ich war schließlich im besten Alter, um endlich sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen. Da konnte man ein Prachtexemplar und potenziellen Ehemann wie Clemens nicht einfach laufen lassen.
»Magst du noch auf die Party? Irgendwie habe ich keine Lust mehr. Du?«
Sarah schüttelte den Kopf.
»Nee, lass uns mal lieber nach Hause gehen. Ich muss morgen früh raus.«
Wir stiegen später schweigsam und grübelnd ins Auto. Kaum waren wir aus der Tiefgarage raus, klingelte mein Handy. Dankbar für die Unterbrechung ging ich gleich ran.
»Gretchen, Frank und ich kommen am Fünfzehnten für eine Woche nach Berlin! Ist das nicht toll?«
Frank war mein Vater und die Frau, die sich vor dem Anruf wieder in Ekstase getrommelt hatte, meine Mutter.
Bevor ich fragen konnte, was Anlass des Besuches war, kam sie mir zuvor.
»Ich möchte unbedingt auf die Berliner Esoterikmesse. Da stellt eine Frau aus, die Auren bestimmen kann, Gabi aus meiner Pilatesgruppe schwört auf sie, und ich wollte schon immer mal zu ihr. Dein Vater möchte zeitgleich einen Schamanenkurs belegen. In Kreuzberg gibt es einen sehr bekannten Schamanen. Wir können doch bei dir wohnen? Bei Rudi ist es enger, und außerdem hat er den unsteteren Lebenswandel.«
Seit wann hatten meine Eltern etwas gegen einen unsteten Lebenswandel? Als ob es sie stören würde, jeden Morgen ein anderes nacktes Mädel aus Rudis Schlafzimmer kommen zu sehen!
Bestimmt war das nur ein Vorwand, um bei mir noch mal das schlechte Chi zu vertreiben. Meine Mutter hatte erst kürzlich wieder angedeutet, dass sie beim Einzug nicht alles rausbekommen hatte.
»Gretchen, du freust dich ja gar nicht. Sag doch was!«
»Mama, ich fahre gerade Auto!«
Das hätte ich nicht sagen sollen.
»Was? Schlimm genug, dass du dauernd mit diesem Teufelshandy telefonierst, wo die Langzeitfolgen der Strahlenwirkung noch gar nicht untersucht worden sind. Jetzt telefonierst du auch noch im Auto damit? Weißt du denn nicht, dass sich das Auto wie ein faradayscher Käfig verhält und die Strahlen verdoppelt? Mal ganz abgesehen davon, was für eine Gefahr du für die anderen Verkehrsteilnehmer darstellst. Ich war ja immer gegen das Auto, wozu gibt es öffentliche Verkehrsmittel! Aber deine Großeltern mussten dir ja unbedingt diese stinkende Blechkiste schenken. Abgesprochen war das ja nicht mit uns!«,
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