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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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mein Vater nach seiner ersten Schamanenstunde, das konnte ebenfalls anstrengend werden. Er nahm solche Seminare immer sehr ernst, arbeitete sich tief in die Materie ein und ließ einen detailliert daran teilhaben, ob man wollte oder nicht.
    Meine Mutter packte ihre Sachen zusammen, nicht ohne mir einen Schutzkristall auf den Schreibtisch zu stellen und eine Stoffhandyhülle mit durchwobenen Metallfäden hinzulegen, begleitet von der dringenden Aufforderung, mein Handy ab jetzt darin mitzuführen, damit ich vor den Strahlen, die Hirntumore hervorrufen konnten, geschützt war. Michis entsetzten Blick deutete sie richtig und packte eine zweite Hülle dazu. Sie und eine ihrer Yogafreundinnen entwarfen die Dinger und verkauften sie eigentlich superteuer samstags auf dem Wochenmarkt.
    Während sie und Michi über die Handyschutzhülle sprachen, stahl ich mich kurz davon in Clemens’ Büro.
    Er strahlte übers ganze Gesicht. »Gretchen, deine Mutter ist eine Wucht. Ach, was sage ich da, eine Magierin, eine Weise. Sie hat unglaubliche Fähigkeiten. Das Gespräch – oder die Sitzung, sagt man eher, nicht? – war so reinigend und wohltuend.«
    »Schön, freut mich. Du, wir packen es jetzt mal. Ich wollte nur sagen, dass wir uns dieses Wochenende nicht sehen können, meine Eltern und meine Großeltern werden mich und Rudi die ganze Zeit belagern.«
    Clemens sah kurz enttäuscht drein, fing sich aber schnell wieder und überlegte dann laut, spontan übers Wochenende einen alten Freund im Süden zu besuchen.
    Er flüsterte mir etwas wie »Vorfreude und Sehnsucht steigern die Lust und Liebe« ins Ohr, gab mir einen langen Kuss mit Vorgeschmack auf das, was mich bei unserem Wiedersehen erwarten würde, und wandte sich immer noch beseelt seinen E-Mails zu.

Es war wie immer! Seit einer geschlagenen Viertelstunde diskutierten wir, ob man die Foie Gras, die meine Großeltern mitgebracht hatten, unbedenklich essen konnte oder nicht. Zwar würde meine Mutter als Vegetarierin nichts davon essen, was sie aber nicht im Geringsten davon abhielt, allen, die vorhatten, eine Scheibe zu nehmen, den Appetit zu verderben, indem sie detailliert die Haltung der Gänse beschrieb, wie die armen Tiere gestopft wurden, und dann noch erläuterte, wie viel Abfall sich in so einer Gänseleber anhäufte. Da könne man ja gleich einen Mülleimer mit Sonderabfällen spachteln.
    Mir wurde es zu blöd! Erstens mochte ich Foie Gras sowieso nicht, und zweitens war ich schon genervt genug, das Familienessen ausgerechnet in meiner Wohnung auszurichten. Leider war mir nichts anderes übrig geblieben, denn ein Restaurant zu finden, das sowohl meinen Eltern als auch meinen Großeltern genehm war, stellte sich immer wieder als Ding der Unmöglichkeit heraus.
    Meine Großeltern wollten natürlich vornehm speisen, am liebsten französisch, was sich bekanntlich gern blutig und speziell gestaltete. Schnecken und fast rohes Fleisch waren nun mal nicht jedermanns Sache. World Food aber auch nicht. Man saß in den Restaurants, die meine Eltern vorschlugen, meistens auf dem Boden, es gab besagtes World Food, das man mit den Fingern aß und das meistens so scharf war, dass selbst mir als hart gesottener Chiliesserin die Tränen kamen, dazu lief unsägliche Musik. Nicht, dass ich Trommeln oder Gamelanmusik generell nicht mochte, aber in der Penetranz und Lautstärke zusammen mit all den Gutmenschen, die sich die ganze Zeit wohlwollend zulächelten, weil sie alle das Richtige taten und sich den Himmel untereinander aufteilen würden, war mir zu viel.
    Diplomatisch wie ich war, hatte ich einfach alle zu mir eingeladen, um uns wenigstens einen Streit im Vorfeld zu sparen, auch wenn es für mich bedeutete, dass ich selbst kochen musste. Das Gute daran war, dass weder meine Eltern noch meine Großeltern wagen würden zu meckern, wenn die einzige Tochter bzw. Enkelin sich für sie ins Zeug legte.
    »Rudi, hilfst du mir bitte in der Küche?«
    Rudi sah mich dankbar an, er wurde gerade von unserem Großvater ins Kreuzverhör genommen, der wissen wollte, wann Rudi endlich sesshaft würde, um eine Familie zu gründen und die lang ersehnten Urenkel zu liefern. Großvater dachte gar nicht daran, Rudi so einfach gehen zu lassen.
    »Junge, was willst du denn in der Küche? Das ist doch Frauensache!«
    Sein Statement zog erwartungsgemäß einen erzürnten Aufschrei meiner Eltern nach sich.
    Schnell aus der Schusslinie und ab in die sichere Küche. Die Wortfetzen »Wir haben unsere Kinder

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