Flaschendrehen: Roman (German Edition)
vermisst du denn am meisten?«, legte sie nach.
Rudi musste nicht lange überlegen.
»Wisst ihr noch, wie lustig das war, als wir die ersten Partys feiern durften und in allen Partykellern zu La Boum – Die Fete Stehblues getanzt wurde?«
Michi, die sich anscheinend sehr gut erinnern konnte, rief verzückt: »Bei uns hieß das Engtanzpartys!«
Ja, auch ich erinnerte mich an diese Zeit. Natürlich fanden bei uns die meisten dieser Partys statt, wer sonst hatte solch liberale Eltern. Ich war gerade mal zwölf gewesen, schon heimlich in Ben verknallt und litt schrecklich, wenn er mit seiner ersten Freundin, einem blonden, fröhlichen Mädchen Stehblues tanzte.
Leila, die sich ebenfalls an ihre Jugend erinnerte, rief:
»Aber noch besser fand ich das erste Mal Flaschendrehen. Gott, waren wir aufgeregt und ich in einen Jungen verknallt, der zwei Jahre älter war. Was hab ich gebetet, dass die Flasche auf ihn zeigt, aber natürlich zeigte sie auf einen anderen Jungen. Erst in der vierten Runde mussten wir uns küssen, das war mein erster Kuss, und ich war so verliebt!«
Rudi sah sie verträumt an, oh nein, nicht doch, den Blick kannte ich! Zu spät, schon legte er los.
»Leute, alle mal herhören, ich hab ’ne super Idee. Wir machen eine Zeitreise in die achtziger Jahre und spielen das Spiel unserer Jugend, ein unschuldiges Spiel voller Neugierde und Nostalgie. Heute dürfen alle noch mal vierzehn sein. Wir spielen Flaschendrehen!«
Erst schauten sich alle an, als ob es sich um einen gelungenen Scherz handelte, aber dann fanden immer mehr daran Gefallen und kicherten los.
Man schwelgte in Erinnerungen der ersten Engtanz- oder Stehbluespartys, zählte auf, mit wem man »Wahrheit oder Pflicht« zum ersten Mal gespielt hatte, und natürlich konnte jeder was zum ersten Mal Flaschendrehen sagen.
Sofort spalteten sich zwei Lager, als es um das Reglement ging. Die einen kannten die Regel so, dass der, auf den die Flasche zeigte, aussuchen durfte, wer wen küssen musste. Die andere Fraktion behauptete, dass der, auf den die Flasche zeigte, sich selbst sein Kussopfer aussuchen durfte.
»Kinder, keine Panik, wir können ja zwei Runden mit jeweils unterschiedlichen Regeln spielen. Also daran soll’s nun wirklich nicht scheitern!«, setzte sich Rudi als großer Diplomat in Szene, dabei wollte er einfach nur der Reihe nach die Mädels beglücken. Das gedämpfte Licht, der Alkoholpegel, die ausgelassene Stimmung zur späten Stunde, all das führte schließlich dazu, dass Diane eine leere Weinflasche holte, in die Mitte stellte, herausfordernd in die Runde schaute und sagte:
»Letzte Chance, wer jetzt nicht das Zimmer verlässt, spielt mit!« Mir wurde mulmig, mir gefiel nicht, dass Clemens und ich noch im Zimmer waren. Er schien dasselbe zu denken und flüsterte mir ins Ohr, dass er sich nicht sicher sei, ob er die Idee gut finden sollte, zumal die Hälfte im Raum seine Untergebenen seien. Rudi, der unsere Bedenken mitbekommen hatte, wischte sie beiseite mit einem »Hach, jetzt habt euch nicht so. Das ist doch komplett harmlos, ein kurzer Kuss auf den Mund!« und schenkte uns beiden noch mal nach.
Rudi hatte Recht, man musste ja nicht mit Zunge küssen, und ein kleiner Kuss auf den Mund war zu vertreten. Die jungen Menschen heutzutage küssten sich auch einfach so zur Begrüßung auf den Mund. Mir war das aber im Grunde zu modern. Sarah, die sich ins alkoholische Weltall geschossen hatte, bestimmt um Clemens zu vergessen, sah mich verständnisvoll an und hickste.
»Das ist dir zu modern, hab ich Recht?« Ich nickte, aber wollte auch kein Spielverderber sein. Dianes Augen funkelten. Schnell ging sie zur Tür, drehte den Schlüssel um und zog ihn ab.
»Los, alle einen Kreis bilden!« Sie klatschte in die Hände.
Wir formierten uns zu einem Kreis, wohin ich blickte, bekannte Gesichter. Rudi, Leila, Ben, Liv, Sarah, Michi, Clemens, Diane, alle waren sie hier gelandet, nur Marion und ihr Freund hatten rechtzeitig den Raum verlassen. Die durften ja aber auch offiziell zusammen sein. Bei diesem Gedanken fragte ich mich, was Ben und Liv noch hier machten. Hilfe, gehörten die am Ende auch zur Sorte »Wir sind eigentlich ein ganz offenes Pärchen«?
Ben blickte äußerst genervt drein. Wenn der Eindruck nicht täuschte, war Liv diejenige, die die Aktion total crazy und witzig fand, vielleicht wollte sie auch vor ihrer neuen Busenfreundin Diane Eindruck schinden und nicht als langweiliges Pärchen gelten.
Was würde ich drum
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