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Staatsanwaltes betraf. Joshua sah sich in dem Zimmer um. Es sah fast aus wie nach einem Einbruch. Schubladen waren herausgenommen und lagen auf dem Fußboden. Die Matratze lag nur halb auf dem Bett, Regale waren abgeräumt. Allerdings gab es keine Zeichen von Vandalismus. Auf den ersten Blick gewann Joshua den Eindruck, dass Seifert sich sehr viel Zeit genommen hatte.
»Ihr Kollege hätte wenigstens noch aufräumen können. Markus war immer so penibel ordentlich«, sie senkte verschämt ihren Blick.
»Wann war mein Kollege eigentlich hier?«
»Gekommen ist er gegen neun, also 21 Uhr. Wann er gegangen ist, weiß ich nicht. Er hat gesagt, er findet alleine raus. Ich«, sie zögerte einen Augenblick, »müsste jetzt eigentlich zur Uni.«
»Ja. Hatte Markus Stachinsky irgendwelche Freunde oder Verwandte, die ihn besuchten?«
Ihre Augen richteten sich zur Decke, während sie überlegte. An ihrer linken Schulter kräuselte sich eine tätowierte Schlange aus dem Sweatshirt, deren Kopf wenige Zentimeter unterhalb des Unterkiefers endete.
»Nein … Nein, niemand. Er hat auch mal gesagt, wir seien seine Familie und Freunde zugleich. Aber der einzige Mensch, zu dem er etwas engeren Kontakt hatte, war Rebecca.«
»War diese Rebecca seine Freundin?«
Sie presste die Lippen aufeinander und wog den Kopf hin und her. Auf ihrer Stirn bildeten sich Falten.
»Freundin schon, ich glaub aber, mehr war nicht zwischen den beiden.«
Rebecca war nicht zu Hause. Sie trug Zeitungen aus, bevor sie zur Universität ging. Er ließ sich ihre Handynummer geben.
Joshua schloss die Tür hinter der Studentin und begann, sich in dem kleinen Zimmer umzusehen. Überall lagen medizinische Fachbücher, Aktenordner und Fachzeitschriften verteilt. Er öffnete den Kleiderschrank. Hemden und T-Shirts lagen sorgfältig gebügelt aufeinandergestapelt. Sie waren lediglich ein wenig verschoben. Auf Kleiderbügeln hingen einige Markenjeans neben einem anthrazitfarbenen Anzug. Auf dem Schrankboden standen zwei Paar Laufschuhe und ein Paar aus schwarz glänzendem Leder. Joshua setzte sich in einen hellen Korbsessel und sah sich um. An einer Stelle an der Wand neben ihm fiel ihm ein heller, quadratischer Fleck auf. An der gegenüberliegenden Seite des Zimmers befand sich ein Schreibtisch. Türen und eine Schublade standen offen. Der Inhalt lag auf dem Fußboden verteilt. Joshua ging hinüber und durchsuchte die Sachen. Mehrere angefangene Arbeiten sowie weitere Fachbücher und Hefte. Er schaltete den Computer ein. Mit leisem Surren fuhr das System hoch. Während der Bildschirm sich füllte, zog Joshua einen umgefallenen Stuhl heran. Die Maus baumelte von der Tischplatte herab, funktionierte aber einwandfrei. Die Festplatte war in drei Partitionen unterteilt. Zu seiner Verwunderung waren zwei davon komplett leer, auf der dritten befand sich lediglich das Betriebssystem. Joshua öffnete den Papierkorb, blickte auf ein strahlend weißes Fenster. Frustriert und nachdenklich fuhr er den Rechner wieder herunter. Er war völlig ratlos. In dem Zimmer gab es keinerlei persönliche Dinge. Elmar Seifert fiel ihm ein. Sollte der … Joshua verwarf den Gedanken. Er konnte sich bis vor kurzem nicht einmal vorstellen, dass der Kollege diesen Raum derart durchwühlen würde, um Beweismaterial zu sichten.
Joshua stand auf, ging in die Mitte des Zimmers und drehte sich langsam um. Es fiel ihm nicht sonderlich schwer, sich vorzustellen, wie der Raum bis gestern noch ausgesehen haben musste. Nirgendwo war Staub zu finden, der Teppich war wie neu und die Kleidung des Opfers war so gepflegt, als ob sie von Daniel stammte. Joshua drückte seinen Rücken durch und atmete kräftig ein und aus. Dieser Markus Stachinsky, war er sich hundertprozentig sicher, hatte nicht an der Nadel gehangen. Er hatte Räume gesehen, in denen Fixer lebten, mehr als er damals ertragen konnte. Dieses Zimmer hier käme den Junkies, die er kennengelernt hatte, wie ein Fünf-Sterne-Hotel vor. Nachdenklich ging er in dem kleinen Raum auf und ab. Die Wohnung eines Menschen sagte viel über dessen Persönlichkeit aus. Für Joshua erschien sie wie eine offene Akte. Er nahm ein Bild von der Wand. Es zeigte eine junge Frau in einem Sommerkleid. Die Aufnahme hatte einen leichten Rotstich. Joshua drehte sie herum und führte die Oberkante des Rahmens dicht vor seine Augen. Statt der erwarteten Staubschicht sah er kleine Wasserflecken. Er erinnerte sich an den ersten Besuch Janines in seiner
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