Flatline
erfüllt. Er wollte Zeit gewinnen, ohne zu wissen, was er damit anfangen sollte.
39
Daniel hatte sich in der kurzen Zeit professionell vorbereitet. Das Flipchart aus dem Presseraum stand am Kopfende des Tisches. Kopien mit einer kurzen Zusammenfassung der aktuellen Ermittlungsergebnisse lagen vor jedem Platz verteilt. Ebenso der Bericht des Erkennungsdienstes zum Tatort »Wohnung Fahnenbruck«. Joshua überflog ihn kurz.Fingerprints gab es fast nur von Fahnenbruck selbst. Die einzige halbwegs brauchbare Spur war der vordere Teil eines verwischten Fußabdrucks auf einem Wasserfleck im Bad. Profil und Art beziehungsweise der Hersteller des Schuhs konnten nicht ermittelt werden. Lediglich betreffend der Größe konnten die Kollegen vage Angaben machen. Sie taxierten sie auf 44-46, je nach Fabrikat. Fahnenbruck, so stand es in dem Bericht, trug Schuhe der Größe 42.
Joshua hatte Eugen Strietzel gebeten, an dem Treffen teilzunehmen. Ausnahmsweise nahm auch DaVinci an der Sitzung teil. Vincent Sauer, so sein richtiger Name, Leiter des Erkennungsdienstes, wollte den soeben fertiggestellten Bericht bringen, als Joshua ihn kurzentschlossen bat, ebenfalls an dem SoKo-Treffen mitzuwirken. Angesichts der knappen Zeit wollte er alle unnötigen Wege vermeiden, nach Möglichkeit die Kräfte bündeln, um eine effizientere Ermittlung zu erreichen. DaVinci blätterte kurz in seinen Unterlagen und begann auf ein Zeichen Daniels.
»Das Wichtigste vorweg: Wir konnten weder an der Kleidung noch an Stachinskys Körper Schmauchspuren sicherstellen. Dafür fanden wir am Schaft der P38, sowie am Abzugshebel verwischte Fingerprints. Eindeutige Abdrücke von Stachinsky gab es eigentlich nur am Magazin und einen am Lauf.«
»Was bedeutet das?«, fuhr Joshua dazwischen.
»Typischerweise, dass der Täter bei der Tatausübung mindestens einen Handschuh getragen hat.«
»Dann kann es nicht Stachinsky gewesen sein«, schloss Joshua. Es hörte sich an, als habe er darauf gehofft. Daniel und Kalle blickten ihn zweifelnd an.
»Er wird wohl kaum unmaskiert mit dem Taxi zum Tatort fahren, überall auf der Waffe seine Fingerabdrücke hinterlassen, um dann im entscheidenden Augenblick Handschuhe überzustreifen.«
Für kurze Zeit schwiegen alle. Bis Eugen Strietzel sich räusperte.
»Wie groß ist Stachinsky?«
Vincent Sauer schlug die erste Seite seiner Kladde auf und überflog murmelnd den Text.
»1,96 Meter, warum?«
»Hm … das passt nicht.«
Strietzel erhob sich und ging vor das Kopfende der Tischreihe.
»Der Schusskanal wies einen Winkel von acht Grad auf. Auf der Stirn des Opfers befanden sich Schmauchspuren. Dies bedeutet, Fahnenbruck ist aus nächster Distanz erschossen worden.«
Strietzel streckte beide Arme nach vorn. Die linke Hand umklammerte sein rechtes Handgelenk. Seine rechte Hand imitierte eine Pistole.
»Fahnenbruck war 1,78 Meter groß. Falls der tödliche Schuss aus dieser Haltung abgefeuert worden ist, muss der Täter zwischen 1,80 Meter und 1,85 Meter groß sein. Sollten wir den Umkehrschluss, nämlich eine Körpergröße des Täters von 1,96 Meter, voraussetzen, müsste der Schuss, Moment, etwa aus dieser Höhe abgefeuert worden sein.«
Strietzel hielt die angedeutete Waffe mittig vor seine Brust.
»Ich bin auf diesem Gebiet zwar kein Experte, aber einen gezielten Kopfschuss halte ich so für reine Glücksache.«
Begleitet von anerkennenden Blicken der Zuhörer, nahm Strietzel wieder Platz. Kalle hegte immer noch Zweifel.
»Erstens hatte Stachinsky genügend Zeit, seine Kleidung zu wechseln. Zweitens kann er ein sehr guter Schütze sein, wir wissen doch nichts über ihn. Und drittens hat er nach wie vor ein erstklassiges Motiv.«
Joshua ballte die Fäuste. Er konnte Kalle sehr gut verstehen, aber es brachte sie kein bisschen weiter. Daniels Zögern verstand er als Aufforderung. Joshua konnte sich nicht länger Kompetenzen beugen, er sprang hoch und übernahm.
»Kalle hat recht. Es gibt zwei Möglichkeiten. Aber wir haben nur noch maximal zwei Tage. Wenn wir uns teilen, verlieren wir wertvolle Zeit. Stachinsky läuft uns nicht weg, vor dem Haftprüfungstermin habe ich keine Angst. Wir müssen ab sofort von einem weiteren Täter ausgehen, eine andere Chance hat Jack …«, er schluckte, »haben wir nicht!«
Daniel verzog die Mundwinkel, verzichtete aber auf einen Kommentar. Alle sahen auf Joshua. Niemand sagte etwas. Joshua empfand die Ruhe bedrohlich.
»Ich
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