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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bradley Alan
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ich.
    Porcelain schwieg.
    Ich schaute aus dem Fenster, ließ den Blick über den Visto schweifen und dachte über die Varianten von Liebe nach, die ich kannte. Viele waren es nicht. Dann fiel mir Brookie Harewood ein. Wer hatte ihn so sehr gehasst, dass er ihn umgebracht und auf Poseidons Dreizack gespießt hatte? Oder war nicht Hass, sondern vielmehr Furcht der Auslöser für die Tat gewesen?
    Wie auch immer, Brookie dürfte inzwischen auf einem Metalltisch in Hinley liegen, und jemand – ein Verwandter vermutlich – würde die Leiche identifizieren müssen.
    Ein weißbekittelter Angestellter würde das Laken von seinem
Gesicht ziehen. Eine Frau würde näher treten, nach Luft schnappen, ein Taschentuch vor den Mund halten und sich abwenden.
    Das hatte ich alles schon im Kino gesehen.
    Und wenn ich mich nicht irrte, würde es sich bei der Frau um Brookies Mutter handeln, die Malerin aus Malden Fenwick.
    Aber vielleicht blieb der Mutter dieser Kummer auch erspart. Vielleicht war die Frau, die an den Tisch trat, ja eine Freundin von Brookie. Allerdings war Brookie meiner Meinung nach nicht der Typ, der Freundinnen hatte. Welche Frau fand es schon reizvoll, nachts in Gummistiefeln durch die Gegend zu schleichen und mit toten Fischen zu hantieren?
    Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht gleich mitbekam, dass Porcelain weiterredete.
    »… aber nie im Sommer. Im Sommer ließ sie alles stehen und liegen und zog mit Johnny Faa über die Landstraßen, ohne einen Penny in der Tasche. Keiner von beiden hatte Geld, aber sie waren wie ein frisch verliebtes Pärchen. Als Johnny jung war, arbeitete er als Kesselflicker, aber das hatte er aufgegeben, warum, weiß ich nicht. Er fand immer im Nu Freunde, und seine Geige ersetzte ihm jede Fremdsprache. Sie lebten von dem, was Fenella mit Wahrsagen verdiente. Leichtgläubige Menschen gibt es überall.«
    »Zum Beispiel ich«, sagte ich.
    »Zum Beispiel du«, bestätigte Porcelain nicht eben zartfühlend.
    »Haben sie dich mitgenommen?«, fragte ich.
    »Ein-, zweimal, als ich noch klein war. Lunita sah es nicht gern, dass ich bei ihnen war.«
    »Lunita?«
    »Meine Mutter. Sie war Fenellas einziges Kind. Die meisten von uns haben große Familien, aber Lunita war ein Einzelkind und ihr Augenstern. Als sie mit einem Gadjo durchbrannte,
einem Engländer aus Tunbridge Wells, brach es Fenella und Johnny das Herz.«
    »War das dein Vater?«
    Porcelain nickte bekümmert. »Mama hat mir immer erzählt, mein Vater sei ein Prinz und würde auf einem schneeweißen Schimmel, schnell wie der Wind, durch die Lande reiten. Seine Jacke sei aus Goldfäden gewebt, die Ärmel aus feinster Seide genäht. Er könne mit den Vögeln sprechen und sich sogar unsichtbar machen. Ein Teil davon stimmte sogar. Unsichtbar machen konnte er sich wirklich sehr gut.«
    Während ich Porcelain zuhörte, kam mir ein Gedanke, so unvermittelt wie eine Sternschnuppe am Nachthimmel: Würde ich meinen Vater gegen ihren eintauschen wollen?
    Ich verdrängte den Gedanken rasch wieder.
    »Erzähl mir von deiner Mutter«, sagte ich rasch.
    »Von der gibt’s nicht viel zu erzählen. Sie musste sich allein durchschlagen. Sie konnte nicht mehr nach Hause, falls man das so nennen kann, weil Fenella und Johnny – vor allem Fenella – sie verstoßen hatten. Meine Mutter hatte nur mich, sie hatte keine Freunde.«
    »Schrecklich«, sagte ich. »Wie ist sie damit zurechtgekommen? «
    »Sie tat das Einzige, was sie konnte: anderen Leuten die Karten legen. Wenn es ganz knapp wurde, schickte sie mich eine Weile zu Fenella und Johnny. Die kümmerten sich zwar um mich, aber sie fragten nie nach Lunita.«
    »Und du hast ihnen auch nichts erzählt?«
    »Nein. Dann kam der Krieg, und alles wurde anders. Wir wohnten in einem grässlichen möblierten Zimmer in Moorgate. Lunita hat hinter einem durchs Zimmer gespannten Bettlaken wahrgesagt. Ich war erst vier, deswegen erinnere ich mich nicht mehr richtig. Ich weiß nur noch, dass im Bad eine Spinne in einem Loch in der Wand wohnte.
    Wir blieben vier Jahre dort. Ich war acht, als im Fenster des
leerstehenden Hauses nebenan eines Tages ein Schild hing. Die Vermieterin erzählte Lunita, dass in dem Haus ein Soldatenkasino eingerichtet würde.
    Auf einmal verdiente Lunita mehr Geld, als sie ausgeben konnte. Ich glaube, sie hatte ein schlechtes Gewissen wegen der vielen Kanadier, Amerikaner, Neuseeländer und Australier – sogar wegen der Polen –, die vor unserem Zimmer Schlange standen

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