Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
lassen, aber statt Eiskrem hat sie Schnecken serviert – Escargots! Wir haben sie roh gegessen wie Austern, so wie es die Filmstars machen. Das war vielleicht lustig.«
»Pass beim nächsten Mal lieber auf«, sagte ich. »Manchmal geraten versehentlich Blutegel unter die Schnecken. Wenn du einen Blutegel verschluckst, frisst er deinen Magen von innen ratzeputz auf.«
Aus Feelys Wangen wich alles Blut, als hätte man einen Stöpsel gezogen.
»Vor drei Wochen stand mal was darüber im Hinley-Kurier «, ergänzte ich hilfsbereit, »über einen Mann aus St. Elfrieda, was ja ganz in der Nähe liegt. Der Mann hatte einen Blutegel verschluckt und musste daraufhin …«
Aber Feely war schon aufgesprungen und davongestürzt.
»Ärgerst du schon wieder deine Schwester, Flavia?«, fragte Vater. Er schaute von seiner Zeitschrift auf, ließ aber den Zeigefinger zwischen den Seiten.
»Ich wollte nur das aktuelle Zeitgeschehen mit ihr erörtern«,
antwortete ich, »aber es schien sie nicht sonderlich zu interessieren.«
»Aha.« Vater widmete sich wieder dem Artikel über die Plattenfehler der Tuppenny Blue von 1840.
Wenn Vater mit am Tisch saß, benahmen wir uns wenigstens halbwegs zivilisiert.
Ich blieb noch ein paar Anstandsminuten sitzen, und als ich aufstand, hielt mich erfreulicherweise niemand zurück.
Mrs Mullet stand in der Küche und malträtierte einen Hühnerleichnam mit einem Knäuel Metzgerschnur.
»Wenn man das Hühnchen nicht richtig dressiert, wird es nicht knusprig«, verkündete sie. »Hat mir Mrs Chadwick droben auf Norton Old Hall erklärt, und die muss es ja wissen. Sie hat mir alles beigebracht, was ich weiß und kann. Das war zu den Zeiten von Lady Res-Wells, da warst du noch gar nicht auf der Welt, Schatz. ›Dreimal über Kreuz dressieren‹, hat sie gesagt, ›dann musst du auch hinterher nicht den Herd auskratzen. ‹ Was ist denn daran so komisch, Fräuleinchen?«
Mir war ein hysterisches Kichern entfahren, als ich wieder vor mir sah, wie ich von meinen eigenen Schwestern gefesselt worden war.
Was mich daran erinnerte, dass ich mich noch nicht dafür gerächt hatte. Gut, ich hatte eine Bemerkung über Blutegel losgelassen, aber das war eher zum Aufwärmen gewesen, höchstens ein Vorspiel für den großen Vergeltungsschlag. Andererseits war ich auch viel zu beschäftigt mit anderen Dingen.
Als Mrs M den unglückseligen Vogel dem AGA-Herd in den Rachen schob, mopste ich rasch ein Glas Erdbeermarmelade aus der Vorratskammer.
»Dreimal über Kreuz!«, sagte ich und schnitt Mrs Mullet eine schaurige Grimasse, als handelte es sich um die Losung einer Geheimgesellschaft, deren einzige Mitglieder sie und ich waren. Mit der Rechten machte ich das Victory-Zeichen und
lenkte sie erfolgreich von dem Marmeladenglas in meiner Linken ab.
Oben angekommen, öffnete ich ganz leise meine Zimmertür. Ich wollte Porcelain nicht wecken, sondern ihr nur einen Zettel hinlegen, dass ich später wiederkommen würde. Wo ich hinwollte, brauchte ich ihr ja nicht mitzuteilen.
Der Zettel war überflüssig. Das Bett war ordentlich gemacht, und Porcelain war verschwunden.
Zum Teufel mit dem Mädel!, dachte ich. Hatte sie nicht begriffen, dass sie mein Zimmer nicht verlassen durfte?
Wo steckte sie? Lustwandelte sie durch die Zimmerfluchten von Buckshaw, wo man sie bestimmt erwischen würde? Oder war sie in den Wohnwagen ihrer Oma zurückgekehrt?
Eigentlich hatte ich mit ihr aufs Polizeirevier gehen wollen, damit sie sich bei Wachtmeister Linnet meldete. Damit hätte ich nicht nur meine Bürgerpflicht getan, sondern auch gleich hören können, was die Beamten mit ihr besprechen würden. Wachtmeister Linnet würde seine Vorgesetzten in Hinley verständigen und die wiederum Inspektor Hewitt. Der Inspektor wäre mir zu großem Dank verpflichtet gewesen.
Es hätte so einfach sein können. Dieses verflixte Mädchen!
Ich marschierte wieder in die Küche, zwinkerte Mrs Mullet zu und raunte: »Dreimal über Kreuz!«
Gladys wartete an der Gartenmauer, und Dogger war im Gewächshaus beschäftigt.
Doch als ich davonradelte, spürte ich seinen Blick im Rücken.
Malden Fenwick lag östlich von Bishop’s Lacey, nicht weit hinter Chipford.
Obwohl ich noch nie dort gewesen war, kam mir alles seltsam bekannt vor. Kein Wunder: »Das schönste Dorf Englands«, wie es manchmal genannt wurde, war schon bis zum Erbrechen fotografiert worden. Die hübschen Cottages aus elisabethanischer
und georgianischer Zeit mit ihren
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