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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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riecht.
    Abgesehen davon ist England heutzutage mit Prinzen nicht mehr allzu gut bestückt. Die einzigen, die mir in diesem Moment einfielen, waren Prinzessin Elisabeths Gatte Prinz Philip und deren kleiner Sohn, Prinz Charles.
    Unterm Strich kam heraus, dass ich allein zurechtkommen musste.
    Was hätte wohl Marie Anne Paulze Lavoisier an meiner Stelle getan?, fragte ich mich abermals. Oder ihr Mann Antoine?
    Meine gegenwärtige missliche Lage erinnerte mich entschieden
an Marie Annes Bruder, den die beiden in ölgetränkte Seide eingenäht hatten und der nur durch einen Strohhalm Luft bekam. Allerdings war es ziemlich unwahrscheinlich, dass die Gendarmen hereingestürmt kommen würden, um mich abzuführen. In Bishop’s Lacey gab es zwar keine Guillotine, aber leider auch keine Wunder.
    Nein, es war zu entmutigend, über Marie Anne und ihre todgeweihte Familie nachzudenken. Ich musste mich von anderen bedeutenden Chemikern anregen lassen.
    Was hätten beispielsweise Robert Bunsen oder Henry Cavendish gemacht, wenn sie gefesselt und geknebelt in einer Mechanikergrube gesessen hätten?
    Ich staunte selbst, wie schnell mir die Antwort einfiel: Die beiden hätten eine Bestandsaufnahme vorgenommen.
    Jawohl - und genau das machte ich auch.
    Ich befand mich in einer ein Meter achtzig tiefen Grube, deren Ausmaße auf beklemmende Weise an die eines Grabes erinnerten. Ich war an Händen und Füßen gefesselt und konnte kaum umhertasten. Pemberton hatte mir seine Jacke um den Kopf gewickelt und vermutlich obendrein mit den Ärmeln festgebunden, damit ich nichts sehen konnte. Der schwere Stoff beeinträchtigte auch mein Gehör, und mein Geschmackssinn war von dem Taschentuchknebel lahmgelegt.
    Ich konnte nur mit Mühe atmen, und da meine Nase teilweise zugedeckt war, verbrauchte schon die kleinste Anstrengung das bisschen Sauerstoff, das überhaupt bis in meine Lungen gelangte. Sich still zu verhalten war das Gebot der Stunde.
    Derjenige meiner fünf Sinne, der als Einziger Überstunden zu machen schien, war mein Geruchssinn. Trotz der dicken Jacke drang mir der Geruch der Grube ungehindert in die Nase. Vorherrschend war der säuerliche Geruch von Erde, die jahrelang unter einer menschlichen Behausung liegt, das bittere Aroma von Dingen, über die man lieber nicht nachdenkt. Dazu kamen ein süßlicher Hauch von ranzigem Motoröl, der bei
ßende Gestank von uraltem Benzin, Kohlenmonoxid und Reifengummi und vielleicht eine Spur von Ozon, die von lange ausgebrannten Zündkerzen stammen mochte.
    Und eine Spur Ammoniak, die mir schon zuvor im Magazin aufgefallen war. Miss Mountjoy hatte etwas von Ratten gesagt, und ehrlich gesagt hätte mich deren Anwesenheit in diesen verlassenen Gebäuden am Fluss nicht sonderlich erstaunt.
    Am beunruhigendsten war dieser Geruch von Faulschlammgas, ein unappetitliches Gemisch aus Methan, Schwefelwasserstoff und Stickstoffoxid, ein Mief nach Verwesung und Verfall, der Gestank eines offenen Abflussrohrs, das vom Flussufer unmittelbar in die Grube führte, in der ich gefangensaß.
    Bei der Vorstellung, was womöglich in eben diesem Augenblick zu mir hereingespült wurde, überlief es mich eiskalt.
    Ich gönne meiner Fantasie lieber eine Pause, dachte ich, und setze die Erkundung der Grube fort.
    Beinahe hätte ich vergessen, dass ich saß. Pembertons Befehl, mich hinzusetzen, dem er so unsanft Nachdruck verliehen hatte, war vorhin so überraschend gekommen, dass mir nicht aufgefallen war, worauf ich überhaupt saß. Jetzt spürte ich es unter mir. Es war flach und hart. Als ich hin und her rutschte, gab es ein wenig nach, außerdem knarrte es. Eine große Teekiste, dachte ich, oder etwas ganz Ähnliches. Hatte Pemberton die Kiste in weiser Voraussicht hier aufgestellt, ehe er mich auf dem Friedhof angesprochen hatte?
    Im selben Augenblick merkte ich, dass ich einen Bärenhunger hatte. Seit meinem dürftigen Frühstück hatte ich nichts mehr gegessen, und selbst dabei war ich von Pembertons plötzlichem Auftauchen am Fenster gestört worden. Während sich mein Magen nachhaltig beschwerte, bereute ich es, meinen Toast und meine Frühstücksflocken nicht besser gewürdigt zu haben.
    Außerdem war ich müde. Müde war gar kein Ausdruck -
ich war fix und fertig. Ich hatte nicht gut geschlafen, und die Nachwehen meiner Erkältung beraubten mich weiterhin der Sauerstoffzufuhr.
    Jetzt mal ganz ruhig, Flave. Behalte einen kühlen Kopf. Pemberton ist bestimmt bald wieder da.
    Ich hatte damit gerechnet, dass

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