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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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um dort in aller Ruhe meinen Gedanken nachzuhängen. Drinnen blinkte der Phantom matt im Dämmerlicht, während der Sturm wie eine Horde mordlustiger Berghexen vor dem Fenster heulte, kreischte und klapperte. Erst als meine Hand schon auf dem Türgriff lag, bemerkte ich, dass im Wagen jemand saß. Ich wäre vor Schreck beinahe tot umgefallen. Dann erkannte ich Vater. Er saß ganz still da, die Tränen liefen ihm übers Gesicht, und er schien von dem Unwetter überhaupt nichts mitzubekommen.
    Eine ganze Weile rührte ich mich nicht von der Stelle, wagte weder mich zu bewegen noch zu atmen. Aber als Vater langsam die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, ließ ich mich geräuschlos wie ein Turner in die Hocke sinken und rollte mich unter das Auto. Aus dem Augenwinkel sah ich einen blitzblank gewienerten Schaftstiefel vom Trittbrett steigen, und als Vater davonschlurfte, hörte ich, wie ihm eine Art heiseres Schluchzen entfuhr. Ich blieb noch lange dort liegen und betrachtete den Wagenboden von Harriets Rolls-Royce von unten.
    »Ja«, sagte ich, »draußen in der Remise steht ein alter Phantom.«
    »Aber dein Vater fährt ihn nicht.«

    »Nein.«
    »Aha.«
    Der Inspektor legte Stift und Notizbuch so behutsam auf den Tisch, als wären sie aus Muranoglas.
    »Flavia«, sagte er (mir fiel natürlich sofort auf, dass ich nicht mehr »Miss de Luce« war), »ich muss dir jetzt eine sehr wichtige Frage stellen. Deine Antwort ist von entscheidender Bedeutung, klar?«
    Ich nickte.
    »Ich weiß, dass du den … Vorfall gemeldet hast. Aber wer hat die Leiche gefunden?«
    Ich kam gedanklich ins Schwimmen. Würde es Vater belasten, wenn ich die Wahrheit sagte? Wusste die Polizei bereits, dass ich Dogger gebeten hatte, mich zum Gurkenbeet zu begleiten? Anscheinend nicht, denn der Inspektor hatte ja eben erst von Doggers Vorhandensein erfahren, weshalb es nur folgerichtig war, dass er ihn noch nicht vernommen hatte. Was aber würde er ihnen gegebenenfalls alles erzählen? Wen von uns beiden würde er decken - Vater oder mich? Gab es eventuell eine neue Untersuchungsmethode, mittels derer man feststellen konnte, dass das Opfer noch am Leben gewesen war, als ich es gefunden hatte?
    »Ich!«, platzte ich heraus. »Ich hab die Leiche gefunden.« Ich kam mir vor wie Cock Robin aus dem Zeichentrickfilm von Walt Disney.
    »Das hab ich mir schon gedacht«, lautete Inspektor Hewitts Erwiderung.
    Daraufhin trat eine peinliche Stille ein, die erst durch das Eintreten von Sergeant Woolmer beendet wurde, der mithilfe seines massigen Leibes Vater vor sich her ins Zimmer schob.
    »Wir haben ihn draußen im Wagenschuppen entdeckt, Sir«, verkündete der Sergeant. »Hatte sich in einem alten Automobil verkrochen.«
    »Wer, wenn ich fragen darf, sind Sie , Sir?«, fragte Vater. Er
war wütend, und einen flüchtigen Augenblick lang sah ich in ihm den Mann, der er früher einmal gewesen sein musste. »Wer sind Sie, und was haben Sie in meinem Haus zu suchen?«
    »Ich bin Inspektor Hewitt, Sir.« Der Inspektor stand auf. »Vielen Dank, Sergeant Woolmer.«
    Der Sergeant ging rückwärts, bis er durch die Tür war, dann drehte er sich um und verschwand.
    »Nun?«, fragte Vater. »Gibt es irgendein Problem, Inspektor?«
    »Leider ja, Sir. In Ihrem Garten wurde eine Leiche gefunden.«
    »Eine Leiche? Sie meinen, ein … Toter?«
    Inspektor Hewitt nickte. »Jawohl, Sir.«
    »Wer denn? Ich meine, wer ist es?«
    Da erst fiel mir auf, dass Vater weder blaue Flecken noch Kratzer hatte, weder Schnitt- noch Schürfwunden aufwies … zumindest keine sichtbaren. Mir fiel auch auf, dass er ganz allmählich erbleichte, bis auf die Ohren, die den Farbton von knallrosa Knetmasse annahmen.
    Auch dem Inspektor war das nicht entgangen. Er beantwortete Vaters Frage nicht gleich, sondern ließ sie im Raum stehen.
    Vater drehte sich um und wanderte in großem Bogen zur Hausbar, wobei er im Gehen mit den Fingern über jedes Möbel strich. Er mischte sich einen Votrix mit Gin und kippte ihn auf einen Zug hinunter, und zwar mit einer eleganten Zielstrebigkeit, die mehr an diesbezüglicher Praxis verriet, als ich für möglich gehalten hätte.
    »Wir haben den Betreffenden noch nicht identifiziert, Colonel de Luce. Eigentlich hatten wir gehofft, Sie könnten uns in dieser Hinsicht weiterhelfen.«
    Vater wurde womöglich noch blasser, und seine Ohren leuchteten noch röter.
    »Tut mir leid, Inspektor«, erwiderte er kaum hörbar. »Bitte
verlangen Sie nicht von mir … Wissen Sie, der

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