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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Tod ist etwas, womit ich nicht gut umgehen kann …«
    Nicht gut umgehen? Vater war ein altgedienter Soldat, und bei Soldaten gehörte der Tod zum Leben dazu, ja, sie lebten für den Tod, lebten vom Tod. Für einen Berufssoldaten war der Tod, so sonderbar das klingen mag, sein Leben. Das wusste ja sogar ich.
    Und ich wusste auch sofort, dass Vater gelogen hatte, und in diesem Augenblick riss unvermittelt irgendwo in mir ein kleiner Faden. Als sei ich auf einen Schlag erwachsener geworden und etwas Altes in mir zerbrochen.
    »Verstehe, Sir«, entgegnete Inspektor Hewitt. »Aber solange sich uns keine anderen Möglichkeiten anbieten …«
    Vater holte ein Taschentuch heraus und wischte sich die Stirn - und dann den Hals.
    »Wissen Sie, ich bin doch einigermaßen erschüttert«, entschuldigte er sich. »Das Ganze …«
    Er machte eine fahrige Geste, und Inspektor Hewitt griff wieder zu seinem Notizbuch, blätterte um und fing an zu schreiben. Vater ging langsam zum Fenster, tat so, als schaute er in die Landschaft hinaus, die ich in allen Einzelheiten vor mir sah: der künstliche See, die Insel mit der künstlichen Ruine, die Brunnen, die seit Kriegsausbruch abgestellt waren, dahinter die Hügel.
    »Sind Sie den ganzen Morgen zu Hause gewesen?«, fragte der Inspektor unvermittelt.
    »Wie bitte?« Vater fuhr herum.
    »Haben Sie seit gestern Abend irgendwann das Haus verlassen?«
    Vater ließ sich mit der Antwort Zeit.
    »Ja«, sagte er schließlich. »Heute früh. Da war ich in der Remise.«
    Ich verkniff mir ein Grinsen. Sherlock Holmes hatte einmal über seinen Bruder Mycroft gesagt, ihn außerhalb des Diogenes
Clubs anzutreffen sei so selten wie eine Straßenbahn auf der Landstraße. Wie Mycroft bewegte sich auch Vater auf seinen immer gleichen Schienen. Mit Ausnahme des Kirchgangs und ab und zu einem kurz entschlossenen Gang zum Bahnhof, um eine Briefmarkenausstellung zu besuchen, setzte Vater selten, wenn überhaupt, einen Fuß vor die Tür.
    »Wann war das ungefähr, Colonel?«
    »Gegen vier. Vielleicht ein bisschen früher.«
    »Und Sie waren … wie lange in der Remise?«
    Der Inspektor sah wieder auf die Armbanduhr.
    »Fünfeinhalb Stunden? Von vier Uhr früh bis gerade eben?«
    »Ja, bis gerade eben«, bestätigte Vater. Er war es nicht gewohnt, vernommen zu werden, und auch wenn der Inspektor nichts zu merken schien, ich hörte meinem Vater an, dass er immer gereizter wurde.
    »Aha. Gehen Sie oft um diese Tageszeit aus dem Haus?«
    Die Frage des Inspektors klang beiläufig, war beinahe im Plauderton gehalten, aber ich spürte, dass dem mitnichten so war.
    »Nein, eigentlich nicht, nein«, erwiderte Vater. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
    Inspektor Hewitt tippte sich mit dem Kugelschreiber auf die Nasenspitze, als müsste er seine nächste Anfrage an einen Parlamentsausschuss formulieren.
    »Sind Sie draußen irgendjemandem begegnet?«
    »Nein, natürlich nicht. Keiner Menschenseele.«
    Der Inspektor nahm den Kugelschreiber kurz von der Nase und notierte sich etwas.
    »Niemandem?«
    »Nein.«
    Als hätte er es schon die ganze Zeit gewusst, nickte der Inspektor bedächtig und enttäuscht und steckte sein Büchlein seufzend ein.

    »Ach, eine Frage noch, Colonel, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte er dann, als wäre ihm gerade noch etwas eingefallen. »Was haben Sie denn da draußen in der Remise gemacht?«
    Vater ließ den Blick zum Fenster hinausschweifen und mahlte mit dem Unterkiefer. Dann wandte er sich um und sah dem Inspektor ins Gesicht.
    »Ich bin wohl nicht verpflichtet, Ihnen darüber Auskunft zu erteilen.«
    »Auch gut«, entgegnete der Inspektor. »Ich glaube, ich …«
    Da schob Mrs Mullet mit ihrem ausladenden Hinterteil die Tür auf und kam mit einem schwer beladenen Tablett hereingewatschelt.
    »Ich bringe Ihnen etwas Gewürzkuchen!«, verkündete sie. »Gewürzkuchen, Tee und ein schönes Glas Milch für Miss Flavia.«
    Gewürzkuchen und Milch! Ich verabscheute Mrs Mullets Gewürzkuchen ebenso wie der heilige Paulus die Sünde. Vielleicht sogar noch mehr. Am liebsten wäre ich auf den Tisch geklettert und hätte, mit einer auf die Gabel gespießten Wurst als Zepter, in meinem besten Laurence-Olivier-Tonfall deklamiert: »Will uns denn niemand von dieser aufdringlichen Bäckerin erlösen?«
    Aber ich beherrschte mich und blieb ganz friedlich.
    Mit einem angedeuteten Knicks stellte Mrs Mullet ihre Last vor Inspektor Hewitt ab, dann erst erblickte sie Vater, der noch am Fenster

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